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Sport: Handarbeit aus der Badewanne

In einem Comic entdeckte Herr Wu 2001 Vuvuzelas. Nun liefert China 90 Prozent der Tröten für die WM

Der Sound für Südafrika kommt aus einer unverputzten Garage. Im fahlen Licht fliegenverdreckter Lampen rattern drei Kunststoffmaschinen. In einer ausrangierten Badewanne vermengt ein Helfer mit einer verrosteten Schaufel weißes Granulat und rotes Farbpulver. Die Hitze steht, der Geruch erwärmten Plastiks steigt in die Nase. Das ist die Geburtsstätte der Plastik-Vuvuzelas. Ninghai, Provinz Zhejiang, vier Busstunden südlich von Schanghai. Hier läuft der Wirtschaftsmotor China noch wie zu Beginn der Öffnungspolitik vor 30 Jahren. Hinterhofklitschen statt modernster Fabriken, Handarbeit statt Hochtechnologie.

Ein Stück weiter sitzen Gu Jingye und vier Kolleginnen. Zwischen ihnen wächst ein Berg aus gelben, grünen und blauen Vuvuzelas. Mit Kartoffelmessern schneiden sie überflüssiges Plastik von den frischgestanzten Tröten und glätten die Mundstücke. Sie sei gar kein Fußballfan, sagt die Frau und lacht. Als die ersten WM-Spiele nebenbei im Fernseher liefen, sei ihnen zwar der konstante Geräuschteppich aufgefallen. Woher der kam, ahnten sie allerdings nicht. Bis ein Nachbar sagte: „Ihr seid berühmt! Eure Tröten haben es bis zur WM geschafft.“ Jetzt sei sie natürlich stolz, sagt Frau Gu strahlend, und wie man auf der Vuvuzela blase, habe sie auch gelernt.

Alle dreißig Sekunden spucken die Maschinen eine neue Tröte aus, bis zu 20 000 am Tag. 2001 hatte Firmenchef Wu Yijun die originalen, aus Bambus geschnitzten Vuvuzelas in einem Comic aus Südafrika gesehen. Plastik müsste auch gehen, dachte Wu, und fertigte die ersten Modelle. Doch damals hat das keinen interessiert.

Ortswechsel: Yiwu, drei Autostunden westlich, der größte Handelsplatz der Welt. Mehr als 400 000 Händler bieten hier praktisch alles an, was irgendwo im Reich der Mitte gefertigt wird, auch die Vuvuzelas. Schätzungsweise 90 Prozent aller bei der WM in Südafrika geblasenen Tröten stammen aus China. Auch Wu Yijun saß in einem der kleinen verglasten Läden, als ein Einkäufer aus Südafrika seine Vuvuzelas entdeckte. Der bestellte auf einen Schlag 1,5 Millionen Stück. Das sprengte die Kapazität von Wus drei kleinen Garagenfabriken. Um das Geschäft seines Lebens abwickeln zu können, musste er Subunternehmer in Südchina anheuern. Eine Vuvuzela aus Ninghai kostet in der Herstellung gerade mal zehn bis zwanzig Cent. Ganze fünf Prozent verdiene er an einer Tröte, sagt Wu Yijun. Inzwischen sind auch andere Produzenten auf den Zug aufgesprungen. Dutzende Händler suchen in Yiwu Vuvuzelakäufer aus aller Welt. Durch die Gänge drängeln sich Pakistani und Ägypter, Brasilianer und Jemeniten, Russen und Kenianer. Yiwu sei einmalig, schwärmt Nasar aus dem Oman. Für seinen Supermarkt kauft er Geschenkartikel und Spielsachen. Yiwu ist die größte arabische Kolonie in Fernost.

Im Moment seien vor allem Tröten in Gelb und Blau gefragt, erklärt Wus Vorarbeiter Hu Jiazhong. Und welche Farbe bevorzugen die Deutschlandfans? Hu überlegt angestrengt, dann muss er passen. Macht nichts. Die Fabrik hat noch genug Vuvuzelas in schwarz, rot und gelb auf Lager.

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