zum Hauptinhalt
Weltklasse-Kapitän? Duvnjak wurde nach dem Pokalsieg gefeiert.

© Axel Heimken/dpa

Handball-Bundesliga: Spiel mit der Gesundheit

Wenn die Entscheidungen in den renommierten Wettbewerben fallen, laufen die Handballer der deutschen Spitzenklubs längst auf dem Zahnfleisch. Jüngstes Negativbeispiel: Der Kieler Duvnjak.

Für einen Augenblick verpasste Alfred Gislason den Anschluss. In der Halbzeitpause des Endspiels um den DHB-Pokal bildeten die Spieler des THW Kiel gerade einen Kreis zur finalen Einstimmung, als ihr Trainer noch vor der Ersatzbank herumstand. Der Isländer lief also auf die Traube zu – oder besser gesagt: er humpelte. Die Folgen einer Knie-Operation im Januar waren dem 57-Jährigen auch am vergangenen Sonntag in Hamburg noch deutlich anzusehen. Und damit stand Gislason selbst, einer der härtesten Hunde in der Geschichte der Handball-Bundesliga, sinnbildlich für den Zustand seiner Sportart.

Wenn die Entscheidungen in den renommierten Wettbewerben fallen, laufen vor allem die Handballer der deutschen Spitzenklubs längst auf dem Zahnfleisch. Seit Jahren muss sich die Sportart den Vorwurf gefallen lassen, ihre Spieler mit vollgepackten Terminkalendern und viel zu kurzen Regenerationszeiten zu verschleißen. Beim Finalturnier in Hamburg kam es nun zu einem besonders üblen Fall. Er trug den Namen Domagoj Duvnjak und hievte die alljährliche Debatte auf ein neues Niveau: Wie angeschlagen dürfen Sportler ihrer Profession noch nachgehen – und wann riskieren sie körperliche Langzeitschäden?

Es genügten rudimentäre medizinische Kenntnisse und zwei Augen, um zu erkennen: Gesund konnte das nicht gewesen sein, wie der Welthandballer von 2013 die Kieler zum zehnten Pokalsieg ihrer Vereinsgeschichte führte. „Zwischenzeitlich dachte ich“, sagte THW-Torhüter Andreas Wolff: „Ihm fällt das Bein ab.“ Dule, wie den Kieler Kapitän seine Teamkollegen rufen, schleppte sich trotzdem durch.

Seit Monaten leidet der 28 Jahre alte Kroate an einer chronischen Überbelastung der Patellasehne im linken Knie, zugezogen im Sommer in Rio – und bis heute nicht auskuriert, im Gegenteil. Nach den Olympischen Spielen spielte er die komplette Bundesliga-Hinrunde durch, als wäre nichts gewesen – und bei der WM im Januar wurde dann alles noch schlimmer. „Als Dule von der WM nach Hause kam, war er tot“, sagt Gislason.

Auf der Vereinshomepage war von einem "modernen Gladiator" die Rede

Seit Wochen nun hat Duvnjak nicht mehr am Mannschaftstraining teilgenommen, in der Bundesliga schonte Gislason seinen Anführer – für solch wichtige Spiele wie am vergangenen Wochenende, als der erste Titel des Jahres 2017 vergeben wurde. „Einzelne Spieler lobe ich selten. Aber das war ein echter Weltklasse-Kapitän, der trotz Verletzung ein überragendes Spiel gemacht hat“, sagte Gislason nach dem Finale. Kiels Manager Thorsten Storm hatte „Tränen in den Augen, als ich gesehen habe, wie Dule spielt“. Auf der Vereinshomepage war von einem „modernen Gladiator“ die Rede.

Duvnjak selbst legte großen Wert auf die Darstellung, ganz freiwillig unter dem Einsatz von Schmerzmitteln gespielt zu haben. „Die Ärzte haben gesagt: Die Verletzung kann nicht schlimmer werden, wenn du spielst“, sagte der Rückraumspieler und ergänzte: „Mein Knie ist vor dem Finalturnier besser geworden, deshalb wollte ich unbedingt dabei sein.“ Wohl wissend, welche Folgen das unter Umständen haben könnte. Noch in dieser Woche wolle er sich nun operieren lassen.

Unterdessen verkündete der THW Kiel am Mittwoch die Verpflichtung des slowenischen Nationalspielers Miha Zarabec – als Ersatz für Duvnjak, dessen Reha-Phase sich auf sechs bis neun Monate belaufen soll. Ob der Kroate danach jemals die herausragende Form der letzten Jahre erreichen wird, darf zumindest bezweifelt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false