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Handball-EM: "Das ist eine Revolution!“

Nach langem Kampf bekommen die Handballklubs für ihre abgestellten Nationalspieler bei der Europameisterschaft erstmals Geld.

Das letzte Jahr als Handball-Funktionär, sagt Manfred Werner, sei anstrengend gewesen. Der Gesellschafter der SG Flensburg-Handewitt musste sich als Aufsichtsratschef der deutschen Handball-Bundesliga (HBL) um den Manipulationsskandal kümmern, aber auch der Konflikt zwischen den europäischen Spitzenklubs und der Europäischen Handball-Föderation (EHF) kostete Kraft. Umso mehr freute sich der 73-Jährige darüber, dass die Verhandlungen am Montagabend ein konkretes Resultat erbrachten: Die Klubs, die ihre Profis bei der laufenden Europameisterschaft in Österreich abstellen, bekommen erstmals dafür eine Abstellgebühr. Insgesamt 400 000 Euro will die EHF den Klubs zahlen.

„Das ist eine Revolution“, erklärte Werner, nachdem die Sitzungen im Innsbrucker Congress-Hotel beendet waren. „Das ist erstmals ein Anerkenntnis, dass die Klubs darauf einen Anspruch haben.“ Sein Kollege Peter Leutwyler (Kadetten Schaffhausen) sagt: „Dahin wollten wir Klubs immer kommen.“ Auch Bob Hanning, der Manager der Füchse Berlin, hatte nach den Verletzungen seiner beiden Spieler Konrad Wilczynski und Stian Vatne gefordert, dass endlich eine Ausgleichsregelung im Sinne der Vereinsmannschaften gefunden werden müsse; schließlich würden die das Gehalt der Spieler bezahlen und somit das Risiko tragen. Nach Plänen, die dieser Zeitung vorliegen, sollen die Klubs für die Abstellung eines Spielers nun exakt 265,96 Euro pro Einsatz bei der EM in Österreich erhalten. Leutwyler geht davon aus, dass diese Summe für die EM 2012 in Serbien deutlich erhöht wird.

EHF-Schatzmeister Ralf Dejaco wollte das Agreement noch nicht offiziell bestätigen. Aber er ließ wissen, „dass vonseiten der EHF jeder gute Wille vorhanden ist“. Die Zurückhaltung der EHF-Führung speist sich aus der Enttäuschung des vorigen Kongresses in Limassol/Zypern. Damals erhielt ein Antrag, die Klubs institutionell in den EHF-Statuten zu verankern, nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Auch eine weitere Entscheidung muss erst noch im Oktober, beim nächsten EHF-Kongress in Kopenhagen, abgesegnet werden: Die Einrichtung eines „Professional Handball Board“ (PHD), das ebenfalls in Innsbruck besprochen wurde.

Dieses Gremium, das alle Belange des europäischen Profihandballs regeln soll, soll zehn Mitglieder umfassen: je zwei von den Klubs, von den nationalen Verbänden, von den Ligen, von der EHF-Exekutive (nicht stimmberechtigt) – und auch zwei Spieler. Damit wären erstmals auch die Profis in die wichtigsten Entscheidungen im Leistungshandball eingebunden.

Forciert wurden die Verhandlungen durch eine seit März 2009 laufende Klage der Group Club Handball (GCH) bei der EU-Kommission in Brüssel. Darin forderte die Vereinigung der 18 führenden europäischen Vereine die EHF auf, verbindliche Regeln für das Miteinander von Klubs und internationalen Verbänden aufzustellen. Eine Entscheidung der Kommission wird im März erwartet. Bislang haben die Klubs dem Wunsch der EHF nicht entsprochen, die Klage ruhen zu lassen. „Die EHF hat großen Respekt vor dieser Klage“, sagt Leutwyler. „Man befürchtet, dass sie eine Lawine lostritt.“

Für den Fall, dass der EHF-Kongress die neue Vorlage nicht beschließt, wollen die Klubs ihre Interessen auf juristischem Wege durchsetzen. Auch den Weltverband IHF wollen die Klubs dann zwingen, Abstellgebühren zu zahlen. Sonst müsse man für die Weltmeisterschaften, meint Werner, auch „das radikalste Mittel in Erwägung ziehen“: einen Boykott.

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