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Die Trainer hinter dem Trainer. Alexander Haase (rechts) und Axel Kromer (links) rahmen Dagur Sigurdsson ein.

© imago/Heuberger

Handball-EM: Deutsche Co-Trainer rotieren vor dem Duell mit Dänemark

Bei der EM ist Bundestrainer Dagur Sigurdsson verstärkt auf die Hilfe seiner zwei Assistenten angewiesen - besonders vor dem entscheidenden Spiel am Mittwoch gegen Dänemark.

Alexander Haase stand vor einer ziemlich schweren Aufgabe. Oder besser gesagt: er stand dahinter. Der riesige Körper von Finn Lemke versperrte dem Co-Trainer der Handball-Nationalmannschaft den Weg hinein in die Traube, die sich bei einer Auszeit um den Bundestrainer gebildet hatte, auch die anderen Feldspieler standen dicht an dicht. So musste Haase auf der Suche nach etwaigen Lücken eine Extra-Runde drehen. Haase fand sie gerade noch rechtzeitig, um pflichtbewusst seinen Job zu übernehmen: das Abdecken der Taktiktafel von Dagur Sigurdsson. Wer will schon riskieren, dass der Gegner den Spielzug kennt, der gerade für den nächsten Angriff angesagt worden ist?

Seitdem die Anweisungen bei der Europameisterschaft in Polen während der Auszeiten auf die großen Monitore der Arenen übertragen werden, ist für Haase und seinen Co-Trainer-Kollegen Axel Kromer also eine weitere Aufgabe dazugekommen. Es ist keine sonderlich spektakuläre, aber doch eine wichtige. Sie zeigt, wie Deutschlands Handball-Nationalmannschaft so tickt bei diesem Turnier, welche Stärken sie mitbringt und welchen Zusammenhalt. „Trainer, Betreuer, Ärzte, Funktionäre, Spieler“, sagt Haase, „jeder kennt genau seine Rolle, das zeichnet uns aus.“

Ein Sieg gegen Dänemark - und Deutschland steht im Halbfinale

Darauf wird es auch an diesem Mittwoch ankommen, wenn die Deutschen in der Hauptrundengruppe II ihr entscheidendes Spiel um den Halbfinal-Einzug gegen Dänemark bestreiten (18.15 Uhr, ARD). Mit einem Sieg kommen sie weiter. „Das wird eine richtig harte Aufgabe“, sagt Haase, „gerade angesichts der neuesten Entwicklungen.“ Seit Sonntag fehlen in Kapitän Steffen Weinhold und Christian Dissinger – nach all den Verletzungen vor dem Turnier – auch noch die beiden torgefährlichsten Rückraumspieler.

Umso wichtiger wird der taktische Plan sein, den Sigurdsson erfahrungsgemäß im Verbund mit seinen beiden Zuarbeitern austüftelt. Mit Axel Kromer und eben Alexander Haase. Von allen Nationaltrainern, die bei der EM im Einsatz sind, ist Sigurdsson der einzige, der zwei Assistenten beschäftigt. „Ich bin fest überzeugt davon, dass sechs Augen mehr sehen als zwei“, sagt der Bundestrainer.

Den Beweis dafür haben Haase und Kromer bereits erbracht: Als die Deutschen zur Halbzeit des Vorrundenspiels gegen Schweden 13:17 zurück lagen, legten die beiden ihrem Chef eine Veränderung des Abwehrsystems von der klassischen 6-0-Formation hin zu einem unkonventionellen 4-2 nahe. Es war ein riskantes, aber letztlich erfolgreiches Unterfangen und endete mit einem dramatischen Sieg (28:27). Bei einer Niederlage wäre die EM für die Deutschen wohl frühzeitig gelaufen gewesen.

Jeder Co-Trainer ist Experte für einen bestimmten Gegner

„Der Handball ist in den letzten Jahren so schnell und komplex geworden, dass keiner mehr allein ein Spiel leiten kann“, sagt Kromer. Deshalb rotieren im deutschen Team selbst die Co-Trainer und bereiten abwechselnd das Material für den nächsten Gegner vor. „Jeder ist quasi Experte für eine bestimmte Mannschaft“, sagt Haase. Der andere Co-Trainer nimmt dann jeweils auf der Tribüne Platz und notiert von dort aus, was ihm aufgefallen ist.

Prinzipiell sind Haases und Kromers Abläufe im Turnier antizyklisch zu dem der Mannschaft. Sie müssen vor allem an spielfreien Tagen arbeiten, wenn die Spieler regenerieren. Meist sitzen die beiden Co-Trainer dann bis tief in die Nacht vor ihren Computern, sie schneiden Spiele und Sequenzen mit allgemeinen, aber auch ganz spezifischen Beobachtungen zusammen: Wurfbilder, Deckungsvarianten, Angriffsoptionen, „alles, was uns auffällt“, sagt Haase.

Bei der morgendlichen Besprechung entscheidet Bundestrainer Sigurdsson schließlich, welche Videos gezeigt werden sollen. Die entsprechenden Zusammenschnitte erhalten die Nationalspieler auf USB-Sticks, damit sie sich gegebenenfalls auch abends auf dem Zimmer noch einmal mit dem auseinandersetzen können, was am Tag danach auf sie zukommt. „Wichtig ist, dass wir die Mannschaft nicht mit Informationen überfrachten“, sagt Haase. „Tagsüber lassen wir die Spieler weitestgehend in Ruhe, aber bei der Videoanalyse erwarten wir geistige Frische.“ Bislang geht dieser Plan gut auf.

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