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© dpa

Handball-EM: Heiner Brands Team braucht ein Konzept

Beim Endspiel gegen Schweden fehlt den deutschen Handballern ein Regisseur.

Lange muss Michael Kraus nicht überlegen, das Urteil über das Spiel gegen Schweden hat er sofort parat. „Das wird ein Highlight für uns, ein absolutes Endspiel“, sagt er. Und der Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft fügt noch hinzu: „Ich drohe schon mal eine Leistungsexplosion bei mir an.“ Dass dies bei dem 26-Jährigen vom TBV Lemgo vor dem heutigen dritten EM-Vorrundenspiel (18.15 Uhr, live in der ARD) eher Wunschdenken ist, haben seine bisherigen Leistungen gezeigt. „Ich habe schon das Gefühl von Instabilität“, sagt Kraus, „aber kein Spieler von uns ruft bisher sein Können wirklich ab.“ Gegen den nächsten WM-Gastgeber würde den Deutschen ein Unentschieden reichen, um weiterzukommen.

Warum das gelingen wird, erklärt Bundestrainer Heiner Brand: „Der Siegeswille und die Kampfkraft sprechen für uns, außerdem werden wir uns im Angriff steigern.“ Damit setzt er vor allem auf die Fähigkeiten der beiden Spielmacher im deutschen Team, neben Kraus auch den Göppinger Michael Haaß. Sie allein kritisieren will Brand nicht, er möchte ihnen nicht die Schuld für das bisher meist überhastet und vielfach konzeptlose Angriffsspiel der Deutschen gegen Polen (25:27) und Slowenien (34:34) anlasten. „Da muss man schon die Spieler auf den Halbpositionen miteinbeziehen, der Mittelmann kann es nicht allein richten“, sagt Brand.

Auffällig in der deutschen Mannschaft bei der EM-Vorrunde in Innsbruck war, dass es ihr an einem Spieler gefehlt hat, der eine klare Ansage macht, das Tempo wechselt oder als Persönlichkeit auf die Mitspieler Einfluss nimmt. So wie es einst Markus Baur auf der Position des Regisseurs in der deutschen Nationalmannschaft gelang, als verlängerter Arm des Nationaltrainers auf dem Spielfeld. Wie das geht, war am Mittwochabend bei Slowenien durch Uros Zorman zu sehen. Letztlich setzten die Deutschen auf ihn eine Manndeckung an, gegen Kraus oder Haaß dagegen hatte der Gegner das nicht nötig. Momentan liegt die Stärke von Michael Kraus eher außerhalb des Spielfeldes, wo er nach Aussage von Brand den Job sehr gut erledigt. „Er bringt gute Stimmung ins Team, sorgt für Begeisterungsfähigkeit und für Zusammenhalt“, erklärt der Coach. Dass auch dies nicht zu unterschätzen ist, wurde im Slowenien-Spiel deutlich. Ohne diese Tugenden hätte es die deutsche Mannschaft wohl nicht mehr zu einem Unentschieden gebracht, nachdem sie noch in der Schlussphase klar zurückgelegen hatte.

Dennoch sind sich alle vor dem Spiel gegen Schweden einig, dass die von Kraus erhoffte Leistungsexplosion in der Spielmitte auch wirklich passieren muss, wenn man erfolgreich sein will. Das sieht auch Haaß so: „Mir tut es gut, dass ich jetzt viel mehr Spielanteile erhalte, aber meine Fehlerquote ist zu hoch. Ich habe noch zu oft die falsche Entscheidung getroffen.“ Mit 49 Länderspielen zählt er zu jenen Spielern in der deutschen Mannschaft, mit denen Heiner Brand die WM 2011 und ein Jahr später Olympia in London angehen möchte. „Dennoch ist diese EM für uns nicht nur so ein Zwischending, ich erwarte schon noch einiges vom Team“, sagt der Bundestrainer, der auch für Haaß eher Lob austeilt: „Mit ihm bin ich sehr zufrieden.“ Damit möchte Brand sicherlich auch den Druck, der auf den Spielern bei der aktuellen Konstellation lastet, abbauen. Aber er weiß auch, dass „mit Begeisterung allein gegen Top-Teams kaum noch etwas zu holen ist“.

Im Vorfeld der EM wurde Brand das noch als Pessimismus ausgelegt. „Wir können doch nicht zur EM fahren und sagen, Polen, Slowenien und Schweden hauen wir weg“, hatte er gesagt. Ihm war natürlich bewusst – und das haben auch die schwachen Vorbereitungsspiele deutlich gezeigt –, dass sich der Weltmeister von 2007 im Neuaufbau befindet. Die Position des Spielmachers ist davon nicht ausgeschlossen, obwohl Michael Kraus mittlerweile schon ein ganzes Stück weiter sein sollte.

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