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Handball-EM: Österreich: Hinter der Grenze des Normalen

Österreichs Handballer verhindern durch ein Unentschieden gegen Island eine Blamage bei der EM im eigenen Land. Dort soll vor allem der Abstand zum Skisport verringert werden.

Ein Wurf über das ganze Spielfeld reichte aus, um die österreichischen Handballfans am Mittwochabend in Freudentaumel zu versetzen. Markus Wagesreiter vom deutschen Bundesligisten HBW Balingen-Weilstetten, der auf diese Weise das nicht mehr für möglich gehaltene 37:37 gegen den Olympiazweiten Island erzielte, wurde daraufhin gefeiert wie ein Volksheld. Der EM-Gastgeber hatte in Linz den erträumten ersten Punkt in diesem Turnier erkämpft. Selbst der sonst stets besonnen reagierende Nationaltrainer Dagur Sigurdsson war danach euphorisiert. „Die letzte Minute war einfach unglaublich“, sagte der völlig geschaffte Isländer. Und einen Tag später titelte die „Tiroler Tageszeitung“ bereits: „Österreich bastelt am Sommermärchen.“ Sicherlich hatte der Autor in dem von den 5500 Zuschauern in Linz initiierten Hexenkessel die Jahreszeiten verwechselt, aber schließlich lag das Team noch 46 Sekunden vor Schluss mit drei Treffern hinten. Und als bei den Isländern plötzlich doch noch die Hände zu zittern begannen, Wagesreiter dann als letzte Aktion eigentlich einen langen Pass spielen wollte, schließlich den herauslaufenden isländischen Torhüter erblickte und ihn mit einer Bogenlampe überlistete, war die Grenze des Normalen ohnehin überschritten.

Nichts hatten die Österreicher nämlich mehr gefürchtet, als sich punktlos aus dem Turnier verabschieden zu müssen. Schließlich haben sie mit sehr viel Herzblut diese EM organisiert, als ein Land, das im Handball in der jüngeren Vergangenheit noch nichts Großes erreicht hat. Noch nie hatten sich die Österreicher zuvor für eine EM qualifizieren können, nach dem 14. Platz bei der WM 1993 waren sie auch da nur Zuschauer und die olympischen Turniere erlebten sie sogar seit 1972 nur aus der Ferne. Im Skisportland fristet Handball eher ein Schattendasein. Mit der laufenden EM der Männer soll dieser große Abstand nun etwas verringert werden. „Wir haben es geschafft, Handball in der Skifahrer-Nation zum Thema, zum Wirtschaftsfaktor zu machen“, sagte der Generalsekretär des österreichischen Handballverbandes Martin Hausleitner in der „Handballwoche“. Einen Etat von rund acht Millionen Euro habe man für diese EM eingesetzt.

In den zurückliegenden Jahren wurde sehr viel getan, die Leistungsstärke der Spieler zu erhöhen. Mit dem heutigen Trainer der Füchse Berlin, Dagur Sigurdsson, holten die Österreicher einen Handballkenner zu A1 Bregenz, und die besten Spieler des Landes bekamen die Chance, sich vor allem in der deutschen Bundesliga zu entwickeln. Einer von ihnen ist Füchse-Linksaußen Konrad Wilczynski, der gegen Island neun Tore warf. Der zweite Star des Teams ist neben ihm der Regisseur Viktor Szilagyi vom VfL Gummersbach. Der hatte noch vor der EM gesagt: „Auf dem Papier sind wir nur krasser Außenseiter, aber ich verspreche schon jetzt, dass die Mannschaft alles geben wird, um für eine Überraschung zu sorgen.“ Viel Mut gab den Österreichern auch, dass sie schon mal in einem Vorbereitungsturnier in Innsbruck gegen die deutsche Mannschaft gesiegt hatten.

Nun ist gegen Island ein viel wichtigerer Coup gelungen. Gestern (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) hatten sie sogar die Chance, gegen die punktgleichen Serben die Hauptrunde in der Wiener Neustadt zu erreichen. Dagur Sigurdsson hatte davor nur eine Sorge: „Wir müssen die Spannung erhalten. So ein Spiel wie gegen Island wirkt noch lange nach.“ Mit dem einen Wurf hat Markus Wagesreiter österreichische Handballgeschichte geschrieben.

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