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Handball: Punkte mit Schleifen bei den Füchsen

Durch hartes Training hat Füchse-Coach Lommel die Berliner Handballer fit für Aufholjagden gemacht.

Berlin - Ein Jubelschrei gellte über das Parkett der Max-Schmeling-Halle, lauter als alle Pfiffe, Tröten und Klatschpappen zusammen. Er kam nicht von Bartlomiej Jaszka, der vier Sekunden vor Schluss das 27:27 der Füchse Berlin gegen den VfL Gummersbach geworfen hatte. Er kam auch nicht von Torhüter Petr Stochl, der mit einer beinahe videospieltauglichen Jump’n’Run-Einlage den anschließenden Wurf Robert Gunnarssons auf das eigentlich verwaiste Tor noch abgewehrt hatte. Ausgestoßen hatte den Schrei überhaupt kein Spieler, sondern Jörn-Uwe Lommel.

Wenige Minuten später hatte sich der sonst so tough wirkende Trainer des Handball-Bundesligisten wieder gefangen, saß ruhig da und genoss mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln das Lob seines Gummersbacher Kollegen Sead Hasanefendic, der die Füchse als „sehr solide und eingespielte Mannschaft“ bezeichnete. „Die Jungs haben hervorragend gekämpft und nie aufgehört, auf den Ausgleich zu gehen“, sagte Lommel kurz darauf. Dann nutzte er die dankbare Gelegenheit, die ihm das spektakuläre Vier-Sekunden-Finish bot, zu einem leisen, aber deutlichen Plädoyer in eigener Sache. „Es war nicht das erste Mal, dass wir ein Spiel noch kurz vor Schluss herumreißen.“ Mit ruhiger Stimme und festem Blick schob er hinterher: „Das ist kein Zufall, sondern ein Qualitätszeichen.“

In der Tat punkteten die Füchse zum wiederholten Mal durch ein Aufholmanöver in der Endphase – am Sonntag machten sie sogar einen Sechs-Tore-Rückstand wett. Lommel sieht dadurch sein Konzept der harten Trainingsarbeit bestätigt. „Wir haben eine mentale und physische Stärke“, sagte er. Dann sprach er genüsslich das Wort „Kondition“ aus, wohlwissend, dass nicht zuletzt sein Image als harter Schleifer dazu beigetragen hat, dass er seinen Job in der nächsten Saison an den Isländer Dagur Sigurdsson verlieren wird.

Aus den Worten des Trainers ließ sich eine Spur süßer Genugtuung extrahieren – vielleicht auch deshalb, weil er seine Arbeit angesichts der hohen Erwartungen nicht immer genug gewürdigt sieht. Offiziell hatte Lommel am Sonntag das Ziel verfehlt, schließlich hatte Manager Bob Hanning einen Sieg gegen Gummersbach gefordert. Von den angepeilten acht Punkten in den letzten vier Spielen des Jahres konnten die Füchse vor den letzten beiden Auswärtspartien in Melsungen und Stralsund bisher nur einen holen. Doch davon wollte sich Lommel die Freude über das 27:27 nicht nehmen lassen. „Man muss ja auch mal sehen, was wir für Möglichkeiten haben“, sagte er. „Der VfL Gummersbach ist wirklich eine international sehr gut besetzte Mannschaft. Wir haben nicht diese Spieler, aber ich …“, Lommel pausierte kurz und setzte neu an, „ … wir holen das Beste aus unseren heraus.“

Mit dem Spiel vom Sonntag ist Lommels Meinung nach auch der letzte Beweis erbracht, dass die wacklige Konstellation mit ihm als Trainer auf Zeit bis zum Saisonende tragfähig ist. Er habe keinen Autoritätsverlust in der Kabine erlitten, die wiederholten Aufholjagden zeigten doch, „dass der Trainer Einfluss hat“. Auch Hanning stellte zufrieden fest: „Die Moral in der Truppe ist intakt.“

Später hatte Hanning noch mehr Lob für seinen scheidenden Trainer übrig. Als er sich für seine abermalige Wahl zum Sporttrainer/-manager des Jahres in Berlin bei allen Mitarbeitern bis zum Kartenabreißer bedankte, erhielt der Coach eine besondere Erwähnung. Wenn es eine Kategorie ausschließlich für den Trainer des Jahres gegeben hätte, „dann hätte Jörn gewinnen müssen“, sagte Hanning. Jörn-Uwe Lommel saß daneben und lächelte still.

Christian Hönicke

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