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© dpa

Handball: Trauer um Oleg Velyky

Der Handball-Nationalspieler stirbt im Alter von 32 Jahren an Hautkrebs. Die Mannschaft ist geschockt

Mit Tränen in den Augen nestelte Oliver Roggisch an seinem Handy herum. Nur irgendetwas tun, sich ablenken, denn es ist so verdammt schwer für den Abwehrchef der deutschen Handball-Nationalmannschaft, in diesen Minuten die Fragen zu beantworten. Fragen zum Tod von Oleg Velyky, dem Nationalspieler und Freund. „Damit muss jetzt jeder für sich allein fertig werden“, sagt Roggisch leise, „ich habe nicht gewusst, dass es so schlimm um ihn steht.“ Kurz zuvor hatten er und seine Kollegen erst die Nachricht bekommen, die das Team erschütterte und die dann Ulrich Strombach offiziell bestätigte. „Ich habe die traurige Aufgabe zu erfüllen, mitzuteilen, dass Oleg Velyky vergangene Nacht den Kampf gegen die heimtückische Krankheit verloren hat“, sagte der DHB-Präsident am Tag vor Beginn der EM-Hauptrunde in Innsbruck. Mit 32 Jahren war der gebürtige Ukrainer in der Nacht zum Samstag in seiner Heimat verstorben. Im Jahre 2003 war beim 38-maligen deutschen Nationalspieler erstmals Hautkrebs diagnostiziert worden.

Einige Jahre glaubte Velyky, die Krankheit besiegt zu haben, bis sie 2008 wieder ausbrach. „Er ist immer sehr offen damit umgegangen“, sagt Pascal Hens, mit dem er zusammen bei HSV Hamburg gespielt hatte. „Aber als es im Januar hieß, Oleg würde in die Ukraine reisen, wussten wir beim HSV eigentlich, warum.“ Das heutige Hauptrundenspiel gegen Frankreich (16.30 Uhr, live in der ARD) wird die deutsche Mannschaft mit einem Trauerflor zum Gedenken an ihn bestreiten.

Noch bei der letzten EM vor zwei Jahren stand Oleg Velyky in der deutschen Mannschaft, doch ein Kreuzbandriss stoppte ihn damals. Vor allem seine Familie, seine Frau Kataryna und sein sechsjähriger Sohn Nikita, gaben ihm die Kraft, gegen diese Verletzung und die schwere Krankheit gleichzeitig anzukämpfen. Mitte März 2009 gab Velyky dann tatsächlich ein vielumjubeltes Kurz-Comeback gegen den THW Kiel. Erstmals nach 422-tägiger Kranken- und Verletzungspause stand er wieder auf einem Spielberichtsbogen. „Ich wurde begrüßt wie ein Gott in der Halle, ich bin dankbar für diesen Moment“, hatte der Ukrainer mit deutschem Pass gesagt. „Ich hoffe, ich komme noch einmal wieder.“ Dieser Wunsch ging nicht mehr in Erfüllung. „Aber er war immer ein Teil der Mannschaft geblieben und kam zu den Spielen, so lange er es konnte“, sagt Pascal Hens, der als Zuschauer bei der EM in Österreich weilt. „Er war zuletzt nur noch schwer zu erreichen. Er hatte keine Kraft mehr zum Telefonieren oder zum Laufen.“

So wie Oleg Velyky über die Jahre seiner Krankheit hinweg den Sport als Mittel der Therapie ansah, versuchen nun auch die deutschen Nationalspieler bei der EM damit den Schock zu überwinden. „Sport bietet die Chance zur Ablenkung“, sagt Heiner Brand. „Schmerz und Trauer lassen sich damit besser verarbeiten, als wenn man allein ist.“ Es fällt dem Bundestrainer in dieser Situation dennoch sehr schwer, über das Sportliche, über die nächsten Gegner Frankreich, Spanien und Tschechien zu reden. Nur am Rande erwähnt er, dass sich Kapitän Michael Kraus eine Oberschenkelverletzung zugezogen hat, dass er sicherheitshalber als Spielmacher den Lemgoer Martin Strobel nachnominiert hat. Es sei ungewiss, ob Kraus das Turnier durchhalten könne. Und zum heutigen Gegner Frankreich sagt Brand nur: „Wir sind nicht der Favorit in diesem Spiel. Ich kann mich mit dem Gegner erst ab Samstagnachmittag näher beschäftigen.“ Das war es dann auch schon zu diesem Thema.

Brand setzte sich bald darauf mit allen Spielern zusammen, um mit ihnen einen gemeinsamen Weg für die nächsten EM-Tage zu besprechen – und den Umgang mit der Trauer im Team. „Wir haben alle auf ein Wunder gehofft“, sagt Brand traurig und ergänzt: „Verarbeiten muss das letztlich jeder für sich allein, was vor allem für seine Teamgefährten von HSV Hamburg sehr schwierig sein wird.“ In einem Punkt sind sich alle einig, der Satz war nicht nur vom Bundestrainer, sondern auch von Oliver Roggisch zu hören: „Wir spielen jetzt für Oleg, das sind wir ihm schuldig.“

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