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An Füchse-Torwart Silvio Heinevetter lag es nicht, dass Deutschland gegen Frankreich deutlich verlor. Hier baut er sich vor Luc Abalo auf. Christian Sprenger (r.) und Adrian Pfahl (l.) schauen zu.

© dapd

Update

Handball-WM: Deutschland chancenlos gegen Frankreich

Die Schmach von Kristianstad: Gegen den Turnierfavoriten Frankreich verlieren die deutschen Handballer deutlich mit 23:30 und hinterlassen dabei auf der Bühne des Welthandballs kein schönes Bild.

Niemand versuchte, die Blamage schön zu reden. "Es hat teilweise schlimm ausgesehen", sagte der Kapitän der Handball-Nationalmannschaft, Pascal Hens (HSV), mit hohlen Wangen nach der herben 23:30 (10:13)-Niederlage gegen Frankreich. Eine Lektion hatte der Titelverteidiger bei dieser 22. WM in Schweden ihnen erteilt, eine Lehrstunde modernen Handballs. "Mit der ersten Halbzeit kann ich noch leben. Mit der zweiten Halbzeit bin ich mehr als enttäuscht", so knapp kommentierte Bundestrainer Heiner Brand die 60 Minuten, die als Schmach von Kristianstad in die deutsche Handballgeschichte Eingang finden dürften.

Es war noch eine weitaus höhere Niederlage möglich, doch die Franzosen ließen am Ende noch ein paar Korrekturen zu. Wie kläglich die Deutschen nach der Pause agierten, das brachte Bertrand Gille, der französische Kreisläufer, auf den Punkt: "Sie waren ahnungslos, das zu sehen, war ein geiles Gefühl." Brand kritisierte hinterher die Einstellung seines Teams. "Man kann sich nicht so hängen lassen Angriff", sagte der 58-Jährige Gummersbacher. "Die Franzosen waren uns körperlich total überlegen." Michael Haaß klagte: „Da bringt jeder Einzelne 20 Kilogramm mehr auf die Waage.“

Der Olympiasieger aus Frankreich ist das stärkste Team der Welt, eine Übermannschaft, aber die deprimierende Art und Weise dieser zweiten Vorrundenniederlage dürfte nun Kritik am Bundestrainer hervorrufen. Dass die Beziehung zu Schlüsselspielern wie Michael Kraus nicht die beste ist, ist schließlich bekannt. Kapitän Hens wollte darüber nicht nachdenken. "Heiner ist für mich unantastbar", sagte der 30-Jährige. Man müsse sich jetzt auf das letzte Vorrundenspiel heute (18.15 Uhr, live im ZDF) gegen Tunesien konzentrieren, um das nun drohende Vorrunden-Aus zu verhindern.

Die letzte Pflichtspielniederlage kassierten die Franzosen vor zwei Jahren, bei der WM in Kroatien, entsprechend tritt die Equipe tricolore auf: Selbstbewusst, souverän, ruhig und mit einem Anflug von Arroganz begannen sie den Klassiker gegen Deutschland, den sie bei der EM 2010 in Innsbruck zuletzt mit 24:22-Toren gewonnen hatten.

Der Erfolg der Franzosen beruht auf einer aggressiven, beweglichen 5:1-Verteidigung, in der verschiedene Profis die vorgezogene Spitze spielen. Anfangs kamen die Deutschen mit ihren Angriffskonzepten durch und führten bald 4:2 (9. Minute) – Kreisläufer Sebastian Preiß hatte sich bis dahin bereits dreimal gegen Torhüter Thierry Omeyer (THW Kiel) durchgesetzt. Die Deutschen hätten in dieser Phase, da Torwart Silvio Heinevetter alles hielt, durchaus höher führen können, doch Michael Kraus scheiterte bis zur 20. Minute allein fünf Mal am reaktionsschnellen Omeyer.

Es lief anfangs besser, als manch Experte es erwartet hatte, doch dann fraß das französische Abwehrmonster die deutschen Gegenspieler: Immer liefen sich die deutschen Angreifer fest an dieser Wand, in deren Zentrum der wuchtige Didier Dinart mit großer Leidenschaft und Coolness seine Nebenleute dirigiert und die Gegner scheinbar spielend abräumt. Bis zum 7:6 (17.) sah es noch gut aus für das Team um Kapitän Hens, doch dann brach die Offensive zusammen, als die Franzosen in der Abwehr das Tempo erhöhten. Nach einem 1:7-Lauf, der elf Minuten andauerte, hatten die Franzosen beim Stand von 7:13 (27.) eine Vorentscheidung herbeigeführt.

Zwar schien das Brand-Team beim Pausenstand von 10:13 noch in Schlagdistanz. Aber die Deutschen schienen zu ahnen, welch Unheil ihnen drohte, sie waren nervös: Der Lemgoer Holger Glandorf, gerade gekommen, unterlief in der 32. Minute ein Fehlpass in unbedrängter Position. Die Franzosen erkannten, wie dünn das deutsche Nervenkostüm war, und machten schlichtweg kurzen Prozess mit dem Erzrivalen, der im Angriff nun hilflos agierte, ohne Kopf. "Es wirkte, als wisse der eine nicht, was der andere macht", sagte Haaß. "Wir konnten einfach unsere Angriffskonzepte nicht mehr durchsetzen", sagte Preiß. So war das Spiel bereits nach 43 Minuten entschieden, als ein Geschoss von Nikola Karabatic zum 12:20 einschlug.

Es gab nun Szenen, die einer deutschen Nationalmannschaft nicht würdig sind. Symptomatisch die Szene in der 47. Minute, als Hens trotz Überzahl ein Stürmerfoul unterlief, nach einer Fehlpass-Serie, die den Charakter einer Slapstick-Einlage hatte. Dann leistete sich Haaß ein übles Foul gegen Karabatic, das aber nur mit einer Zeitstrafe geahndet wurde. Das Brand-Team hinterließ auf der Bühne des Welthandballs wahrlich kein schönes Bild.

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