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Sport: Handball-WM: Mit dem Boot zum Spiel

Jedes Mal, wenn Torwart Ulrik Winther-Hansen einen Ball abwehrt oder Angreifer Hans-Peter Motzfeldt ein Tor wirft, ist das Geschrei groß. Dann jubeln und klatschen die dreitausend Zuschauer im Palais du Sport von Besancon, als ob Grönlands Handballer gerade Weltmeister geworden wären.

Jedes Mal, wenn Torwart Ulrik Winther-Hansen einen Ball abwehrt oder Angreifer Hans-Peter Motzfeldt ein Tor wirft, ist das Geschrei groß. Dann jubeln und klatschen die dreitausend Zuschauer im Palais du Sport von Besancon, als ob Grönlands Handballer gerade Weltmeister geworden wären. Dabei sind sie Debütanten beim globalen Championat, das zurzeit in Frankreich stattfindet, und entsprechend selten sind ihre Erfolgserlebnisse. Aber für die 56 000 Menschen, die auf der größten Insel der Welt leben, war die erste Teilnahme überhaupt bei einer Mannschafts-Weltmeisterschaft genug Grund zur Generalmobilmachung: "In den Sporthallen sind riesige Fernseher aufgestellt worden, damit die Leute die Übertragungen sehen können", sagte Delegationschef Kurt Lauritsen, "ich glaube, zu Hause arbeitet niemand mehr."

Mit ihrer vergnügten Stimmung haben die Männer vom Polarkreis frischen Wind in die ansonsten flaue WM-Vorrunde gebracht. Gestern kamen sie sogar zum ersten Sieg beim 26:18 (11:8) über die USA. Damit hat der letzte Vorrundengegner der deutschen Mannschaft (Sonntag, 14 Uhr, live auf DSF) mehr erreicht als erhofft: "Ein Punkt gegen die Amerikaner, und ich wäre sehr zufrieden", hatte Trainer Bo Roy als Ziel ausgegeben.

Die zwei Punkte, mit denen die Mannschaft am Montag auf ihre Insel zurückkehrt, sind sowieso nur die Ausrufezeichen in der Erfolgsbilanz. "So a Schmäh", feixte nämlich der seit sechs Jahren in Österreich spielende Teamkapitän Hans-Peter Motzfeldt die ganze Woche über die Tatsache, dass sich Dänemark nicht qualifiziert hatte, aber dafür dessen autonome Provinz Grönland. Die dortige Handball-Organisation ist erst 1998 vom Weltverband IHF anerkannt worden und aus geographischen Gründen dem panamerikanischen Verband zugeordnet worden. Bei den Kontinentalmeisterschaften im Mai 2000 wurden die Grönländer Fünfter; weil Cuba im November aus finanziellen Gründen seine WM-Teilnahme absagte, rückten sie kurzfristig nach.

Mit rund 300 000 Mark unterstützt die Regierung den WM-Ausflug, der durchaus werbewirksam ist. "Die WM ist eine gute Gelegenheit", sagte Motzfeldt, "der Welt zu zeigen, dass wir nicht mehr in Iglus leben und den ganzen Tag nur schlafen." Darüber hinaus hat die Welt auch erfahren, dass es in Grönland ordentliche Handballspieler gibt. Gegen etablierte Nationen wie Kroatien, Spanien und Südkorea hielten sie immer eine Halbzeit mit. Was daran liegt, dass neben Motzfeldt weitere vier Spieler als Profis im Ausland tätig sind, in Dänemark und in Norwegen.

In Grönland gibt es 21 Vereine mit 155 Mannschaften und 1872 Spielern; 18 Männer-Teams spielen im Februar eine Qualifikationsrunde zur Meisterschaft, sechs ermitteln im April den Titelträger. "Jede Mannschaft macht etwa ein Dutzend Spiele pro Jahr", sagt Lauritsen. Die großen Entfernungen auf der 2,175 Millionen Quadratkilometer großen Insel lassen keinen Spielbetrieb zu, wie man ihn in Mitteleuropa gewohnt ist: Weil die längste Straße nur zehn Kilometer lang ist, reisen die Menschen mit dem Flugzeug oder mit dem Boot; die Klubs treffen sich deshalb an einem Ort und spielen in Turnierform.

Der Tatsache, dass es auf Grönland kaum Straßen gibt, haben die Handballer im übrigen zu verdanken, dass Ulrik Winther-Hansen in ihrem Tor steht. Der 29-Jährige, wie die meisten seiner Teamkollegen auf Grönland geboren, war einmal ein hoffnungsvolles Radsport-Talent, fuhr Anfang der neunziger Jahre sogar zwei Jahre lang für einen kleinen französischen Rennstall, gab es dann aber auf. "Man musste sehr viel trainieren", sagt er, und das ohne Aussicht auf großen Erfolg. Dann lieber Handballspieler auf Grönland sein: Da wird man mit geringem Aufwand zum Volkshelden.

Jan Kiel

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