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Hans Meyer

© dpa

Hans Meyer: "Ich war nicht so scharf auf den Job“

Hans Meyer über seine Rückkehr in den Trainerberuf und Borussia Mönchengladbachs schwierigen Abstiegskampf.

Herr Meyer, seit drei Monaten arbeiten Sie wieder als Trainer bei Borussia Mönchengladbach. Wie oft haben Sie schon gedacht: Warum hab ich mir das angetan?



Warum sollte ich das denken? Ich wusste doch, dass ich hier auf die Schnauze fallen kann. Dazu habe ich die letzten drei Monate nicht gebraucht. Aber die Vorstellung hat mich nicht abgeschreckt.

Sie haben das Scheitern einkalkuliert?

Ich kann den Klassenerhalt nicht garantieren. Die Chance ist nicht größer als fifty- fifty. Aber gerade das macht es interessant. Wir haben elf Punkte, realistisch betrachtet atmen wir nur noch, weil die Konkurrenz es auch nicht besser gemacht hat.

Haben Sie das Auftaktprogramm einmal gedanklich durchgespielt: in Stuttgart, gegen Hoffenheim und in Bremen?

Das möchte ich jetzt nicht im Einzelnen durchgehen. Aber ich bin ein unglaublicher Realist. Theoretisch kann zwischen uns und dem rettenden Platz nach drei Spielen schon eine echt ernsthafte Differenz entstehen. Dazu müsste aber auch unsere Konkurrenz ihre Spiele gewinnen.

Haben Sie die Probleme unterschätzt?

Bestimmt nicht. Nach 38 Jahren als Trainer traue ich mir schon einen gewissen Sachverstand zu. Ich schätze meinen Vorgänger Jos Luhukay sehr, ich weiß, dass er bei der Mannschaft gut angekommen ist, weil er eine sehr menschliche Art hatte. Trotzdem hat die Mannschaft sechs von sieben Spielen verloren – mit der Auf stiegs euphorie und den Aufstiegshelden. Glauben Sie im Ernst, dass ich unter solchen Voraussetzungen hier hinkomme und sage: Ach, das mache ich mit links. Wer kann so etwas annehmen? Da muss man entweder dumm oder böswillig sein.

Ihnen wird vorgeworfen, Sie hätten die Mannschaft gar nicht gekannt.

Das ist doch Blödsinn. Ich habe Gladbach nie so beobachtet, als wenn’s meine eigene Mannschaft wäre, das stimmt. Aber ich habe sie deutlich mehr beobachtet als alle anderen. Ich habe nicht erst 14 Tage gebraucht, um die Spieler kennen zu lernen. Nehmen Sie Sascha Rösler …

… den Sie aus dem Kader gestrichen haben und der jetzt für 1860 München spielt.

Natürlich kannte ich Sascha Rösler. Wissen Sie, warum? Weil ich früher mal über seine Verpflichtung nachgedacht habe. Ich bin davon abgekommen. Er war mir nicht dynamisch genug. Rösler ist fraglos ein sehr guter Zweitligaspieler, aber er ist 31 Jahre alt. Wie viele Jahre hat er in der Bundesliga gespielt? Zwei! Und da ist er mit Ulm und Aachen abgestiegen.

Sie haben sieben Spieler aussortiert, Christian Ziege, der vor Ihrer Zeit Sportdirektor und dann Ihr Kotrainer war, ist geflüchtet. Die Außendarstellung ist nicht optimal.

Ich erzähle Ihnen mal eine Geschichte. Vor kurzem hat mein früherer Spieler Andreas Wolf in Nürnberg meine Lebensgefährtin getroffen. Zum Abschied hat er gesagt: „Grüßen Sie den Hans Meyer schön, und sagen Sie ihm, er soll ein bisschen ruhiger werden. Bei uns hat er die Spieler nie öffentlich in die Pfanne gehauen. Da hat er sich immer vor die Mannschaft gestellt.“

Und?

Das mache ich doch. Ich habe mich kein Stückchen verändert. Ich stelle mich vor die Spieler, sie werden immer von mir geschützt. Aber ich wundere mich, was aus den Veränderungen im Kader durch die Kommentierungen des Boulevards gemacht wird und wie das in der Ferne ankommt. Da sagt dann der Stefan Effenberg: Meyer macht die Spieler schlecht. Nein, ich habe keinen Spieler schlecht gemacht. Wenn ich mit Rösler nicht mehr weitermachen will – dass das indirekt eine Kritik ist, oh Gott, ja. Aber wie willst du es machen, ohne dass es die anderen merken?

Wenn es die Spieler nicht waren, wer dann?

Die Balance stimmt nicht, das hat gar nichts mit dem einzelnen Spieler zu tun. Ich kann das erklären. Wenn ich hier elf Zidanes vorgefunden hätte, würden wir den Klassenerhalt auch nicht schaffen. Mit elf Zidanes gewinnst du kein Spiel. Es geht um das Gemenge verschiedener Charaktere, um die Balance aus Künstlern und Kämpfern, jungen und alten Spielern. In meiner Mannschaft denkt heute noch keiner von sich aus, dass Fußballspielen auch Abwehrarbeit ist. Das geht gar nicht. Ich hoffe aber, dass wir mit unseren Neuverpflichtungen den Nerv der Mannschaft getroffen haben. Sie sollen auch die anderen besser funktionieren lassen.

Müssen Sie so rigoros sein?

Glauben Sie, mir gefällt es, wenn ich jemandem ins Gesicht sagen muss: Ich kann dich nicht mehr gebrauchen? Die Spieler bekommen übrigens weiterhin ihr Gehalt, Monat für Monat, ohne dass sie dafür arbeiten müssen. Es gibt Schlimmeres.

Wie begegnen Ihnen die Spieler, mit denen Sie nicht mehr weiter arbeiten wollten?

Ich sehe sie relativ selten. Uwe Gospodarek verhält sich sehr normal, Alexander Voigt hat das in dem Gespräch mit mir auch getan. „Das muss ich akzeptieren“, hat er gesagt. Er hatte es schon geahnt.

Unzufriedene Spieler, die Last des Abstiegskampfes, die Kritik der Medien – können Sie erklären, was den Reiz des Jobs ausmacht?

Mir macht es einfach Spaß, mit den Jungs auf dem Platz zu arbeiten. Immer noch und jeden Tag – selbst wenn wir gerade das dritte Vorbereitungsspiel verloren haben. Wenn ich morgens aufstehe, freue ich mich auf die Arbeit.

Verstehen Sie die Spieler noch?

Da hat sich nicht viel verändert. Auch früher gab es Jungs, die nicht begriffen haben, welche unglaubliche Chance ihnen der Fußball eröffnet. Vielleicht gibt es heute mehr, die fehlgeleitet, nicht mehr hundertprozentig coachbar und dadurch nicht mehr hundertprozentig entwicklungsfähig sind. Wenn sie dann noch von der Presse hofiert werden, musst du ihnen mit Vernunft oder klaren Ansagen gar nicht kommen. In England gibt es so was nicht. Da hat kein Spieler rumzugackern.

Andere Leute in Ihrem Alter sind froh, wenn sie nicht mehr arbeiten müssen.

Wenn ich Lehrer geblieben wäre und mich mit zum Teil unmotivierten Kindern rumärgern müsste, hätte ich auch mit 60 die Schnauze gestrichen voll gehabt. Aber der Trainerberuf macht mir so viel Spaß – das kann man gar nicht vergleichen.

Sie kommen von dem Job nicht los.

Nach Nürnberg war ich nah dran zu sagen: Das war’s. Wenn ich mit dem Club nicht vor Gericht gelandet wäre, könnte es gut sein, dass ich jetzt kein Trainer mehr wäre. Ich habe das nicht unbedingt gebraucht. So schlecht hat mir das halbe Jahr nicht gefallen. Ich habe Museen abgeklappert, Bücher gelesen, Theaterstücke gesehen, an die ich früher nie gedacht hätte, und bin vier Wochen durch China gereist.

Hat Ihnen etwas gefehlt?

Ich bin dem Fußball doch verbunden geblieben. Man hat mich weiterhin angerufen, und ich war auch regelmäßig im Stadion: Da konnte ich ganz entspannt im Vip-Raum mein Käffchen trinken.

Wieso haben Sie noch einmal angefangen?

Die Gladbacher haben einen Zustand genutzt, den ich in meinem ganzen Leben nicht gekannt habe: dass mich ein Verein zwingt, ihn zu verklagen, weil er mein Gehalt nicht mehr zahlen will. Ein Verein, der zwei Jahre von Hans Meyer in einer unglaublichen Art und Weise profitiert hat. Und der auch im Nachhinein nicht zugeben will, dass er mit meiner Entlassung einen Fehler gemacht hat. Dass ich mit meiner Unterschrift in Gladbach dieser Situation entrinnen konnte, das hat der Borussia geholfen. Ich war nicht so scharf auf den Job, dass ich mich beworben hätte.

Hatten Sie das Gefühl, dass Sie noch etwas beweisen müssen?

Das spielt gar keine Rolle. Gehen Sie mal mit mir in Nürnberg durch die Stadt. Das ist richtig peinlich, wie viel Sympathie mir da entgegen schlägt. In jedem zweiten Restaurant muss ich nichts bezahlen.

Interview von Stefan Hermanns

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