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Löws wichtigste Waffe: Positive Thinking

© dpa/Zuma Press/Petter Arvidson/Bildbyran

Fußball-WM 2018: Harald Stenger zum Bundestrainer: Massive Schelte? Interessiert Löw nicht!

Bundestrainer Joachim Löw hält vor dem Spiel gegen Schweden an seiner psychologischen Taktik fest: Verdrängung. Die Angst vor dem Versagen bei der Fußball-WM 2018 geht um. Ein Kommentar.

Schönfärberisches Drumherumreden bringt nichts: Wenn alles schiefläuft, kann sich Deutschland am Samstagabend nach einer Niederlage gegen Schweden definitiv auf die Abreise vorbereiten. Und selbst bei einem Sieg droht weiterhin das Aus bei der Fußball-WM 2018, vier Tage später gegen Südkorea. Kein Wunder, dass der Aufenthalt des Weltmeisters in Russland derzeit nicht so angenehm ist. Die Angst vor dem Versagen geht um, obwohl im DFB-Quartier alles dafür getan wird, diese bösen Gedanken zu verdrängen und stattdessen einen Mix aus Ruhe und Optimismus zu verbreiten.

Was spielt sich in Tagen wie diesen nach der desaströsen Vorstellung gegen Mexiko hinter den Kulissen ab? Ganz einfach: Alle Register werden gezogen, um positives Denken zu vermitteln im Kampf gegen das – allen offiziellen Statements zum Trotz – lädierte Selbstbewusstsein.

Besonders zu Fragen über Einstellung, Aufstellung und Taktik gibt es dazu natürlich in unterschiedlichsten Runden auch knallharte Gespräche und Analysen, um die eigenen Reihen fest zu schließen. Nicht immer gelingt das aber. Schon lange ist es ein offenes Geheimnis, dass es bei der Europameisterschaft 2008 nach der Niederlage gegen Kroatien und vor dem alles entscheidenden letzten Vorrundenspiel gegen Österreich auf Initiative von Bundestrainer Joachim Löw eine Mannschaftssitzung ohne ihn gab. Der Sieg auf dem Weg ins Finale wurde danach zwar realisiert, doch die Belastungen und Fronten blieben.

Die jungen Spieler wie Lahm, Friedrich, Hitzlsperger, Rolfes und Jansen vertraten in Sachen Stil des Umgangs im alltäglichen Miteinander im Team eine ganz andere Meinung als Oldie Ballack. Die Animositäten waren erst bedeutungslos, als "El Capitano" für die WM 2010 in Südafrika verletzt ausfiel, Lahm die ihm übergestreifte Kapitänsbinde nicht mehr abgeben wollte und sich Ballack bald nach manchem Missverständnis mit viel Getöse verabschiedete.

Am Ende entscheidet Löw alleine

Schaut man in die jüngste Nationalmannschaftshistorie, war – inklusive der internen Diskussionen bei der WM 2014 über die Rückversetzung von Philipp Lahm in die Abwehr – die Krisensitzung von 2008 der intensivste Schlagabtausch. Über die langfristigen Folgen der Aussprache von Watutinki für das Team und die kurzfristigen Konsequenzen in Russland kann vorerst nur spekuliert werden.

Klar ist dagegen, dass die aktuelle Strategie der Chefdenker Löw und Bierhoff unverändert wie immer in Phasen der Verunsicherung ist. Konsequent wird dem WM-Kader vermittelt, die Idee vom vorzeitigen und beschämenden K. o. erst gar nicht an sich rankommen zu lassen.

Primär gestützt von sportlich-psychologischen Mutmacher-Argumenten, mit denen selbst oder gerade mitten in einem bedrohlichen Tief das Vertrauen auf die eigenen Stärken in den Vordergrund gerückt werden. Zugleich interessieren Löw an ihn und die Spieler adressierte derbe Worte und marktschreierisch platzierte massive Schelte, etwa durch Ex-Nationalspieler, nicht im Geringsten.

Für ihn zählt nur der Meinungsaustausch mit Trainern und Team – und am Ende entscheidet er ganz allein darüber, was er für richtig hält und was zu verändern ist!

Unser Kolumnist Harald Stenger.
Unser Kolumnist Harald Stenger.

© promo

Harald Stenger war von 2001 bis 2012 Pressesprecher der Nationalmannschaft. Hier schreibt er im Wechsel mit Phlipp Köster, Frank Lüdecke, Nadine Angerer, Jens Hegeler, Sven Goldmann und Roman Neustädter.

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