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Sport: Harte Landungen

Selten sind bei Eiskunstlauf-Meisterschaften so viele Spitzenathleten gestürzt wie in Berlin

Berlin. Beim dritten Mal hob Christina Beier nur noch kurz die Brauen und murmelte: „Oh Gott, das ist ja furchtbar.“ Er klang schon ziemlich routiniert , der Satz. Als Nicole Nönnig das erste und das zweite Mal aufs Eis gestürzt war und ihr Partner Matthias Bleyer einmal gleich mit, da hatte die 19-jährige Beier noch entsetzt die Hand vor den Mund gehalten und laut aufgestöhnt. Aber da konnte sie noch nicht wissen, wie blamabel der peinlichste Paarlauf-Auftritt bei den deutschen Eiskunstlauf-Meisterschaften in Berlin enden würde. Letztlich lag Nönnig vier oder fünf mal auf dem Eis. Aber Christina Beier hatte natürlich auch Mitgefühl, trotz allem. Nönnig/Bleyer sind ja ihre sportlichen Kollegen. Christiane Beier und ihr Bruder William waren eine Stunde zuvor Deutsche Vizemeister im Eistanzen geworden, und jetzt standen beide im Pressezentrum des Erika-Hess-Stadions und verfolgten im Fernsehen das Drama auf dem Eis.

Eines der vielen Dramen, um genau zu sein. Selten stürzten bei Deutschen Meisterschaften so viele nationale Spitzenleute wie in Berlin. Einsamer Höhepunkt: die Damen-Konkurrenz. Denise Zimmermann, Mannheim, Vizemeisterin – einmal gestürzt, zwei Sprünge verstolpert, Constanze Paulinus, Erfurt, Dritte – einmal gestürzt, Katharina Häcker, Mannheim, Vierte – einen Sprung verstolpert, Stephanie Dankert, Berlin, Fünfte – zweimal gestürzt, Christiane Berger, Mannheim, Sechste – zweimal gestürzt. Nur Annette Dytrt, die Meisterin, fiel nicht. „Aber sie hat nicht alles riskiert. Mit dem was sie gezeigt hat, ist sie international nicht konkurrenzfähig“, sagt Peter Maier, der Leiter des Bundesstützpunkts Dortmund. Bei den Männern stürzte Titelverteidiger Silvio Smalun zwei Mal, der spätere Meister Stefan Lindemann einmal, und im Paarlauf endete die Todesspirale für Mikkeline Kierkgaard, als sie mit dem Rücken auf dem Eis lag.

Klingt alles wie eine Bilanz des Schreckens, und je nach Standpunkt ist es ja auch eine. Wer internationale Maßstäbe anlegt, dem wird schwarz vor Augen. Andererseits muss man auch ein bisschen differenzieren. Denise Zimmermann und Christiane Berger starten zwar bei den Frauen, aber eigentlich sind sie noch Mädchen. Zimmermann ist 15 Jahre alt, Berger 16. „Sie sind einfach noch zu jung, sie müssen sich noch stabilisieren“, sagt ihr Trainer Peter Sczypa. Es gibt zwar Läuferinnen, die in diesem Alter schon Weltmeisterinnen wurden, aber die sind die Ausnahme. Allerdings haben gleichaltrige ausländische Läuferinnen meist mehr Wettkampfpraxis und trainieren viel intensiver als etwa Berger oder Zimmermann. Katharina Häcker müsste mehr Stabilität haben, sie war schon Deutsche Meisterin, aber sie auch hat lange Verletzungsphasen hinter sich. Vor sechs Wochen erlitt sie einen Muskelfaserriss, seit drei Wochen trainiert sie erst wieder.

Und dass Lindemann, Smalun und auch der 29-jährige Andrejs Vlascenko stürzten, war fast zu erwarten. Alle scheiterten bei einem vierfachen Sprung. Noch nie hat ein deutscher Läufer im Wettkampf einen vierfachen Sprung gestanden. Im Training beherrschen sie einen vierfachen Sprung, selbst beim Einspringen bewältigten Lindemann und Smalun diese Aufgabe, vor Preisrichtern aber versagten die Nerven. Nur: international sind Vierfachsprünge Standard. Vlascenko freilich muss sich darüber nicht mehr lange Gedanken machen. Er hört nach dieser Saison auf. Was aber bei Nönnig/Bleyer los war, das konnte selbst ihr Trainer Ingo Steuer nicht erklären. Er war schlicht fassungslos.

Christina Beier übrigens fiel nicht hin. Logisch. Sie ist Eistänzerin. Und Stürze im Eistanz sind ungefähr so häufig wie Schneestürme in Rom.

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