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Neuer Hinweis: Hat Hitler Owens doch die Hand gegeben?

Es gehört zur Geschichte der Olympischen Spiele 1936 in Berlin: Adolf Hitler hat Jesse Owens nicht die Hand gegeben. Der Rassist Hitler hat dem farbigen amerikanischen Sprinter die Anerkennung für seine Siege verweigert. Doch war das so?

Selbst wenn es nur ein Mosaikstein ist, nicht entscheidend für den Gesamteindruck der Spiele, die geprägt waren von der nationalsozialistischen Inszenierung und der Leistung des Amerikaners, ranken sich darum bis heute viele Legenden. Von Owens selbst sind unterschiedliche Aussagen überliefert: Die eine lautet, dass Hitler ihn während der Wettkämpfe böse angeschaut habe. Die andere, dass Hitler ihm nach seinem Sieg freundlich zugewinkt habe. Seine Enkelin Marlene Dortch, die jetzt zur Leichtathletik-WM nach Berlin kommt, kann zur Aufklärung nicht beitragen. Sie habe mit ihrem Großvater nie über solche Dinge gesprochen.

Nun hat sich ein Siegfried Mischner gemeldet, 83 Jahre alt, früher Sportreporter beim Rias. Und er sagt: „Hitler hat Owens die Hand gegeben.“ Woher er das wissen will? Als Owens Anfang der sechziger Jahre wieder nach Berlin kam, habe es eine Pressekonferenz mit ihm gegeben. Journalisten hätten ihn umlagert. „Dann hat Owens aus seiner Brieftasche ein Foto herausgenommen, und gesagt: ,Das war einer meiner schönsten Augenblicke in Berlin.‘ Das Foto zeigte, wie Hitler Owens die Hand schüttelt“, sagt Mischner. Entstanden sei das Foto vermutlich im Raum hinter der Ehrentribüne. Die vorherrschende Meinung im Nachkriegsdeutschland habe gelautet: Hitler habe Owens ignoriert. „Wir haben daraufhin beschlossen, über das Foto nicht zu berichten. Die Presse war damals gehorsam“, sagt Mischner. Das hätten sie auch Owens zu verstehen gegeben. „Einer aus der Runde hat gesagt: Stecken Sie das Foto lieber wieder ein, wir haben darüber bisher immer anders geschrieben“, erzählt Mischner. „Owens war enttäuscht, ich kann mich gut daran erinnern, wie er ungläubig den Kopf geschüttelt hat.“

Beweisen kann Mischner diese Episode nicht mehr, die meisten der damals anwesenden Kollegen seien verstorben. Warum er selbst nie darüber berichtet hat, auch nicht in seinem Buch „Arbeitsplatz Olympiastadion“? „Es hat sich nicht ergeben. Als ich erfahren habe, dass Owens’ Enkelin es auch nicht weiß, hab ich mir gedacht: Das ist eine der letzten Chancen, um darüber zu reden.“

Volker Kluge hält diese Geschichte für unglaubwürdig. „Hitler hat Owens nie die Hand gegeben. Es gab keine Gelegenheit dazu“, sagt Kluge. Der Sportjournalist gilt als Experte für die Olympischen Spiele 1936, vor wenigen Wochen erst hat er ein Buch über das Olympiastadion veröffentlicht. „Ich halte es sogar für ausgeschlossen, dass Owens und Hitler überhaupt in räumlicher Nähe zu sehen gewesen sind“, sagt Kluge, der in seinem umfangreichen Olympiaarchiv auch die Zeitpläne aufbewahrt, wann sich Hitler während der Spiele wo aufgehalten hat. In dem Raum hinter der Ehrentribüne seien Hitler nur ausgewählte deutsche Athleten zugeführt worden, und für Fotos sei nur eine Agentur zugelassen gewesen: die von Heinrich Hoffmann, Hitlers Hausfotograf.

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