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HAWK-EYE: Folge 11: Regendepression

Jedes Grand-Slam-Turnier ist eine kleine Welt für sich. Von Eindrücken, Kuriositäten und kleinen Geschichten am Rande der US Open erzählt an dieser Stelle täglich Anke Myrrhe, live aus New York.

Manchmal ist nichts deprimierender als ein paar Regentropfen. Vor allem, wenn es nur ein ganz klein bisschen regnet, nur ein paar Tropfen, die aber die Linien der US-Open-Hartplätze zu gefährlichen Rutschbahnen werden lassen. Das ist für das Publikum ziemlich schwer zu nachvollziehbar. Mit einem ordentlichen Schauer kann jeder etwas anfangen. Da geht man schließlich selbst auch nicht gern auf den Tennisplatz. Aber diese kleinen feinen Tropfen können doch wirklich nicht so schlimm sein. Soll dieses bisschen Nieselregen tatsächlich die Macht haben, 23 000 Menschen den Abend zu verderben?

Solche oder ähnliche Gedanken veranlassen rund 10 000 Fans dazu, am Donnerstagabend von 19 Uhr bis kurz nach Mitternacht im Arthur-Ashe-Stadium auszuharren und zu hoffen. Es wird ihnen reichlich Anlass dazu gegeben. Erst ist es ein richtig gutes Match, spannend, mit Tiebreak, so eins bei dem man unbedingt bis zum Ende bleiben will, und auch das Wetter scheint zunächst zu halten. Doch dann dieser leichte Nieselregen und die erste Unterbrechen. 75 Minuten. Okay, die Zeit kann man rumkriegen mit Bierholen, mal in die Shops spazieren, sinnlose Mitbringsel für die Liebsten und sich selbst erstehen, dann vielleicht noch ein Bier holen und zack: Da ist der Platz trockengelegt worden und die Spieler machen sich auch schon wieder warm. Nervenaufreibend wird es allerdings, wenn nach nur ein paar Spielen die ganze Geschichte von vorn beginnt.

Es wird kalt im Arthur-Ashe-Stadium, unter 18 Grad. Und windig ist es, da würden selbst fortgeschrittene Kite-Surfer ihre Drachen wieder einpacken. Die zweite Pause zieht sich hin wie altes Kaugummi. Musik soll die Leute bei Laune halten. Überall auf der Anlage schallt sie aus den großen Lautsprechern. Eine Frau rennt ihrem davon flatternden Billig-Regenschirm hinterher, während ein offenbar noch gutgelauntes Paar ganz allein an der großen (schon längst abgeschalteten) Fontaine vor dem Center Court sitzt und sich und die gerade erstandenen Cocktails abwechselnd fotografiert. Ansonsten ist die Anlage ziemlich ausgestorben. Sogar die meisten Getränke und Essensstände haben bereits geschlossen.

Nur eine größere Bierbar schenkt noch aus, einige der Zuschauer haben es sich dort einigermaßen gemütlich gemacht und vertreiben sich die Zeit mit Wiederholungen von College-Football und Baseball. Auch die klasse Night-Session des Vortags, als Roger Federer Robin Söderling besiegte, wird hier gezeigt. Wie ärgerlich, müssen sich die Barbesucher denken. Hätte dieser doofe Nieselregen nicht einen Tag später kommen können. Nicht gerade heute, wo wir hier sind? Ihr Geld werden sie nicht zurückbekommen. Nicht, wenn schon mindestens ein Satz zu Ende gespielt wurde.

Deswegen hoffen die rund 10 000 im Stadion weiter. Insgesamt fünf Stunden sitzen sie dort und hoffen und hoffen. Hoffen, dass das Match zwischen Rafael Nadal und Fernando Gonzales vielleicht doch noch fortgesetzt wird. Was gemein ist, denn im Pressezentrum wurde längst verkündet, dass das Spiel auf Freitag verlegt wurde. Offensichtlich hat sich noch niemand getraut, das den Hoffenden mitzuteilen. Sie machen La Ola. Als Gegenstück zum Regentanz versuchen sie damit offensichtlich die Wolken zu vertreiben. Bis es ihnen dann doch mal jemand sagt. Ein lautes „Ooohhhh“, dann machen sie sich murrend auf den Heimweg.

Manchmal ist nichts deprimierender als ein paar Regentropfen.

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