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HAWK-EYE: Folge 3: Hilfe von oben

Jedes Grand-Slam-Turnier ist eine kleine Welt für sich. Von Eindrücken, Kuriositäten und kleinen Geschichten am Rande der US Open erzählt an dieser Stelle täglich Anke Myrrhe, live aus New York.

Einige der Zuschauer wirken irgendwie abwesend. Als wären sie nicht richtig da, als hätten sie eine andere, höhere Mission. Sie wandeln wie ferngesteuert auf der Anlage umher, scheinen nach dem Ende eines Matches genau zu wissen, wohin sie als nächstes müssen, ohne auch nur einen Blick auf die große Anzeigetafel am Arthur-Ashe-Stadium zu werfen.

Wer sind diese Leute? Und wer leitet sie? Alle tragen sie weiße Bänder um den Hals, mit der Aufschrift „American Express“. Ist es ihre Kreditkarte, die diese Menschen über die Anlage der US Open führt? Müssten Sie dann nicht eher einen Merchandising-Shop nach dem anderen aufsuchen, die allzu zahlreich anzutreffen sind, oder an jedem der vielen Essensausgaben Halt machen?

Doch nein, sie laufen zielsicher von einem der großen Plätze zum nächsten. „Radio Live“ steht außerdem noch auf dem Band und daran befestigt ist ein kleiner Kopfhörer, den sich die Zuschauer am Ohr befestigen können. Damit bekommen sie live auf der Anlage in Flushing Meadows (und nur dort, wie die Damen an der Ausgabe betonen) die wechselnden Kommentare der Sender CBS, ESPN2 und Tennis Channel. Live Tennis mit Anleitung. Ein Service, der den Inhabern einer Kreditkarte des besagten amerikanischen Unternehmens kostenlos bereitgestellt wird.

In Scharen laufen die weißbändig geschmückten, einseitig am Ohr blockiert über die Anlage. Die Bänder sehen unglaublich schick aus, und wichtig noch dazu. Zugegeben: Es ist praktisch auch live auf die fachkundigen Analysen der amerikanischen Journalisten vertrauen zu können, als würde man zu Hause auf dem Sofa sitzen. Der Nachteil aber ist, dass natürlich immer nur das vermeintliche aktuelle Top-Match kommentiert wird. Viele der wandelnden Live-Kommentar-Empfänger folgen blind der Anleitung, die der Knopf im Ohr ihnen vorgibt, ohne zu schauen, ob auf den anderen 15 Plätzen nicht vielleicht auch noch spannende Matches laufen. Selber denken ist out. Ebenso wie die eigene Analyse im Austausch mit den bekannten oder unbekannten Sitznachbarn.

Es sind vielleicht ein oder zwei Entscheidungen pro Match, bei denen der Knopf im Ohr zum besseren Verständnis der Situation auf dem Platz beitragen kann. Doch das Schöne am Livetennis ist doch oft gerade, dass man die nervigen Kommentatoren nicht ertragen muss. Einfach nur: Plop, plop, plop,… Das ist genügend Sound für ein Tennismatch.

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