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Sport: Heilige Mutter Gottes!

Warum Francesco Totti zur Kirche der Madonna zur Göttlichen Liebe pilgert

Sage keiner, Rom habe genügend Kirchen. Diese hier ist etwas Besonderes. Vor den Toren der Stadt liegt das Heiligtum der Madonna zur Göttlichen Liebe. Diese Muttergottes mit dem Jesuskind, sie tut Wunder. Seit den Zeiten des Barock wallfahren die Römer scharenweise zu ihr, in Freud und Leid des Lebens. Neben der Kapelle hängen drei Säle bis zur Decke voll mit geweihten Silberherzen, Fotos, Dankesbriefen. Devotionalien besonderer Art mussten aus Platzgründen sogar ins Nachbarhaus umziehen. Dort sammeln sich, in überfüllten Vitrinen, die Sporttrophäen – als Dank der Madonna zur Göttlichen Liebe geweiht.

Von der Decke baumelt ein in Orange lackiertes Rennrad des belgischen Weltmeisters Eddy Merckx. Und an der Wand, absatzfördernd über der Verkaufstheke für Rosenkränze und Marienbildchen, hängt der Blickfang des Heiligtums schlechthin: ein Fußballtrikot. Nein: das Trikot. In Azzurro, der Farbe der italienischen Nationalelf. Es trägt die Nummer 20 und den Namenszug „Totti“.

Die handschriftliche Widmung ist zwar, wie der Stoff, ziemlich ausgebleicht, aber fromme, in Weiß und Azzurro gewandete Ordensschwestern haben sie nachgedruckt. Kurz nachdem er sein erstes Tor in der Nationalmannschaft geschossen hatte, war Francesco Totti am 3. Juli 2000 zur Muttergottes gepilgert und hatte ihr in seinem Briefchen „tiefsten Dank“ dafür ausgesprochen, „dass Du Dich meiner angenommen hast“: „Ich habe ständig Deine Gegenwart gespürt. Dir schenke ich mein Herz, das Herz eines treuen Sohnes. Ich bin überzeugt, dass alles, was Du zu geschehen erlaubst, für mich ein Projekt der Liebe sein wird.“

Tja, nur kam es vier Jahre später zu einer fürchterlich unschönen Szene, und in der Tiefe dieses frömmigkeitssatten Raumes muss man sich schon eine Weile umsehen, bis man Tottis verschämte Reaktion darauf entdeckt. Bei der Europameisterschaft 2004 spuckte das römische „Enfant terrible“ dem dänischen Spieler Christian Poulsen mitten ins Gesicht.

Totti wurde für zwei Spiele gesperrt. Und mit offenbar recht flauem Gewissen pilgerte Totti wieder zur Muttergottes. Seither hängt ein zweites seiner Trikots an der Wand, ziemlich hoch, dem normalen Blick entrückt. „Allerheiligste Madonna, ich bitte um Vergebung“, steht handschriftlich darunter: „Und lass’ mich nie im Stich. Dein Francesco.“

Im Jahr danach brachte Totti seinen Sohn zur Taufe vorbei. „Christian“, nannte er ihn, wie auch jener Däne geheißen hatte. Und das Verhältnis zur Muttergottes ist offenbar wieder eingerenkt. Wie sonst hätte jener fatale Wadenbeinbruch vom 19. Februar so punktgenau zur WM 2006 heilen können?

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