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Spannung sieht anders aus: Josep Guardiola beim Testspiel gegen seinen alten Verein Brescia Calcio.

© AFP

Heimspiel am Gardasee: Die Tifosi feiern Josep Guardiola

Bayerns Münchens neuer Trainer Josep Guardiola ist am Rande des Testspiels das Topthema – der Hype ist dem früheren Spieler von Brescia aber spürbar lästig.

Wahrscheinlich hat Manuel Neuer an diesem frühen Sommerabend den schönsten Ausblick der noch jungen Saison. In der ersten Halbzeit des Spiels FC Bayern München gegen den italienischen Zweitligisten Brescia Calcio schaut Neuer von seinem meist unbevölkerten Strafraum auf die Burg des Örtchens Arco, die so dramatisch wie pittoresk auf einem Bergfelsen über ihm und dem Ministadion thront. Sonst hat er eine fast dreiviertelstündige Ruhepause, der „wahrscheinlich beste Torhüter der Welt“, wie ihn „Brescia oggi“ genannt hat. Die Zeitung hat drei Seiten Vorbericht zum ersten offiziellen Testspiel der Bayern unter ihrem neuen Trainer Pep Guardiola gedruckt.

Hinter Neuers Rücken, auf der eigens errichteten Südtribüne, stehen die Ultras der „Curva Sud“ von Brescia Calcio und singen, nach kurzem Bengalo-Zündeln, so leidenschaftlich und vom Spielstand unbeirrbar wie ansonsten nur die Iren oder die Briten. Dabei wird der Gastauftritt der Bayern in ihrem knapp zehntägigen Trainingslager, mit Residenz im feinen Belle-Epoque-Hotel „Lido Palace“ im benachbarten Riva am Nordufer des Gardasees, fast wie ein Länderspiel inszeniert: vor 4500 Zuschauern, die Hälfte in Bayernrot, die anderen Bresciablau. Und von den Blauen wird selbst die Nationalhymne in wilden Varianten weitergetragen, von Herzblut, Bergstolz und Anspielungen auf Juventus Turin, den Italienischen Meister, klingt’s da wie Gewitterhall. Die Bayern als aktueller Gegner werden zunächst mal völlig ignoriert. Bis auf einen: Pep Guardiola.

„Il Pep“ ist in allen Medien des Landes Kult, und in der Region des Gardasees ganz besonders. Denn der Test vom Dienstagabend galt als Heimspiel. Guardiola, der 42-jährige Katalane, hat vor gut einem Jahrzehnt für Brescia Calcio in der Serie A gespielt, und einer seiner Teamkollegen, der Mittelfeldakteur Andrea Caracciolo, steht noch jetzt gegen die Bayern auf dem Platz.

Die Tifosi aus der rund 70 Kilometer südlich gelegenen Provinzhauptstadt Brescia, wo einst auch deutsche Fußballer wie Albert Brülls und Manfred Binz gespielt haben, sie rufen aufs megaphonverstärkte Stichwort „tutta la curva!“ („die ganze Kurve!“) immer wieder Guardiolas Namen. Wie zur Beschwörung eigener Kraft. Dazu haben sie ein riesiges Spruchband ausgerollt „Pep – sempre nei nostri cuore“, immer in unseren Herzen. Dass Guardiola in Brescia auch mal unter Dopingverdacht stand und erst in zweiter Instanz freigesprochen wurde, ist längst vergessen.

Der Gepriesene selber empfindet den Hype um seine Person als spürbar lästig. Im Trubel der Fotografen und Fans taucht er neben seinen Bodyguards fast schon weg und huscht im dunkelblauen Trainingsanzug, der ihm wie ein Abendanzug steht, erst vor dem Anpfiff auf die Bank. Etwas entfernt von den zahlreichen Auswechselspielern hockt am Rand auch der noch verletzte Mario Götze. Der Neuzugang plauscht mit Arjen Robben, der beste Laune hat, obwohl auch er nicht mitspielt, offenbar zwickt’s im Oberschenkel.

Brescia hat Anstoß und eine schöne lange Minute den Ball. Dann kreiseln die Bayern fast eine halbe Stunde, im Mittelfeld dirigiert von dem nach langer Verletzungspause offenbar hervorragend genesenen Toni Kroos. Aus dem Stammteam der vergangenen Saison fehlen den Bayern die wegen des Confed-Cups noch urlaubenden Luiz Gustavo, Dante und Javier Martinez, vor allem aber der an der Ferse operierte und jetzt zur Physiotherapie nach München zurückgereiste Bastian Schweinsteiger. Erst ein missglückter Abschlag von Brescia-Keeper Alessio Cragno, den Mario Mandzukic aufnimmt und zum einschussbereiten Thomas Müller passt, sowie ein strammer Schuss von Kroos aus dem Strafraumgewühl heraus sorgen kurz vor der Pause für das 2:0 des Champions-League-Siegers.

In der zweiten Halbzeit wechselt Guardiola dann nach und nach bis auf Neuer die gesamte Mannschaft aus. Am längsten darf Müller durchhalten, der mit ein paar Dribblings seine Klasse andeutet – und als einziger der Bayern beim Auswechseln auch Beifall von den Tifosi erhält. Ribéry hat dagegen mit ein paar zornigen Protestgesten in dem an sich fairen Spiel provoziert, er trifft vor der Auswechslung noch per Freistoß die Latte. Auch Neuer, weit vorm eigenen Kasten, darf sich bei einem unverhofften Fernschuss noch mit einer artistischen Parade im Rückwärtssprint auszeichnen, bevor der Neuzugang Jan Kirchhoff nach einer Ecke in der Schlussminute das 3:0 köpft.

In den Beinen und in den Köpfen sind die Bayern noch nicht so recht frisch. Auch bei Guardiola hapert es trotz seiner frischen Deutsch-Kenntnisse noch an der Kommunikation, wenn er Toni Kroos, den stärksten Schützen, in der Sekunde auswechselt, als Kroos gerade zum Freistoß an der Strafraumgrenze antritt. Aber bald darauf zurück in Riva reden sie sicher wieder alle von der „Philosophie“ ihres Trainergenies – im „Lido Palace“, in dessen Nachbarhaus einst Friedrich Nietzsche logierte und wo auch Franz Kafka seinen Kaffee trank.

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