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Heimvorteil: Gastgeber bevorzugt

Um die Nummer eins zu werden, greifen die Kanadier zu viel Geld – und umstrittenen Methoden. Die Restwelt fühlt sich benachteiligt

Im Hauptberuf betreibt Andreas Kapp zwar nach wie vor seinen Großhandel für Tiefkühlkost. So kurz vor Beginn der Olympischen Winterspiele wechselt der Kapitän der deutschen Curling-Mannschaft aber auch schon einmal das Metier. Die Alltagspsychologie hat es dem 42-Jährigen neuerdings angetan, und das besonders, wenn er an seine Olympia-Gastgeber denkt. Kapp hat bereits eine Reihe recht erfolgreicher Weltmeisterschaften in dem Land zwischen Beringmeer und Labradorsee gespielt, deshalb weiß er auch, welcher Druck auf Kanadas Curlern beim olympischen Schrubben auf Eis lastet. „Hinter Eishockey ist das hier ganz klar die Nummer zwei“, betont Kapp. „Und es setzt sich schon in den Köpfen fest, dass die jetzt Gold holen müssen.“

Immerhin: Die Granitsteinschubser sind beileibe nicht allein auf weiter Flur. Das ganze Land liegt im Goldfieber. Eine Sucht, die eine dunkle Vorgeschichte hat: Je einmal im Sommer (1976 in Montreal) und Winter (1988 in Calgary) durften die Kanadier bislang Olympische Spiele veranstalten – aber nicht eine einzige Goldmedaille durften sich ihre Athleten dabei umhängen lassen. Kanada ist damit das einzige Veranstalterland Olympischer Spiele, das diese ärgerliche Nullquote vorzuweisen hat – Grund genug, beim dritten Versuch nun alles resolut nachholen zu wollen.

„Das Podium gehört uns“

Zwei Jahre, nachdem Vancouver den Zuschlag für 2010 bekam, riefen die Kanadier deshalb eigens eine Initiative ins Leben. Getauft wurde das ehrgeizige Kind auf den Namen „Own the Podium“, zu Deutsch etwa: „Das Podium gehört uns“. Gefüttert wurde der nationale Masterplan mit einer für Kanada bis dato einmalig hohen Summe: 110 Millionen kanadische Dollar, rund 75 Millionen Euro, flossen für den erhofften Goldregen seit 2005 in die Wintersportbranche. Und bei der groß angelegten Aktion dürfte es nicht zuletzt um olympische Vergangenheitsbewältigung gehen. „Unsere Unterstützung soll Kanada zu Stolz und Leistung animieren“, betont Sportminister Gary Lunn jedenfalls. Und: „Sie kann die Kanadier wieder mehr zum Sport bringen, auf höchstem Niveau genauso wie im Alltag.“

Ihre Medaillenausbeute wollen die ambitionierten Gastgeber von 24 in Turin auf 35 steigern und dabei Deutschland (Bilanz von 2006: 29 Medaillen, davon elf goldene) als erfolgreichste Schneesportnation vom Sockel stoßen. Und bei den Vorbereitungen hierzu zeigten sich die Kanadier nicht eben zimperlich: Olympische Sportstätten wie die Abfahrtsstrecke in Whistler hüteten sie lange wie ein Heiligtum, Trainingszeiten für ausländische Top-Fahrer waren kaum vorgesehen.

Laute Klagen wegen offensichtlicher Benachteiligung folgten, etwa aus dem Mund der Skeletonfahrerin Katie Uhlaender. Die Welt sei wegen der arg limitierten Trainingsmöglichkeiten „sehr enttäuscht“, teilte die 25-jährige US-Amerikanerin im Herbst mit. Das Verhalten der Olympia-Organisatoren sei, so Uhlaender, „unhöflich, um es mal vorsichtig auszudrücken“.

Ähnliche Beschwerden waren auch von Rodlern oder Eisschnellläufern zu vernehmen. Auch im Olympischen Dorf in Vancouver waren die besten Unterkünfte – jene, die direkt an der Wasserfront liegen – rasch in kanadischer Hand. Die exquisiten Quartiere der Kanadier „seien ihnen gegönnt“, raunte DOSB-Leistungssportchef Ulf Tippelt nach dem ersten Rundgang noch. Ansonsten aber wird der internationale Besuch weniger gönnerhaft sein, nicht zuletzt wegen dieser Vorgeschichte.

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