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Heiner Brand

© dpa

Heiner Brand: ''Ich habe noch viele Visionen''

2007 war sein Jahr, 2008 soll noch besser werden: Heiner Brand, der Trainer der Handball-Weltmeister, über Treffen mit der Kanzlerin, seinen Kampf mit der Bundesliga und den Traum vom Olympia-Gold.

Herr Brand, sind Sie eigentlich mit der Bundeskanzlerin schon per du – so oft wie Sie in letzter Zeit miteinander zu tun hatten?

So häufig war ich nun auch noch nicht da. Sie hat mal angerufen, und wir waren mal zum Empfang im Kanzleramt.

Sie waren doch erst vor zwei Wochen wieder im Kanzleramt. Wie war es denn?

Das hat nicht ganz geklappt, weil ich auf dem Flughafen in Düsseldorf keinen Parkplatz gefunden habe. Ich bin da ewig herumgefahren, aber es war nichts frei. Deswegen habe ich den Flieger verpasst.

Aber Sie sind doch eine Berühmtheit. Sie hätten doch den Wagen einfach einem Mitarbeiter geben und sagen können: Ich bin Heiner Brand, Weltmeistertrainer, und ich muss meinen Flieger kriegen – parken Sie den mal für mich.

Das ist nicht mein Ding, da was Besonderes in die Wege zu leiten. Ich bin ein normaler Fluggast.

Also haben Sie Ihre eigene Ehrung zum Trainer des Jahres des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) verpasst?

Das war ja keine Ehrung, sondern eine Veranstaltung anlässlich des 40. Geburtstags der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Ich glaube nicht, dass das da angedacht war.

Bei der Vielzahl kann man ja schon mal den Überblick verlieren. Wie viele Ehrungen mussten Sie denn in diesem Jahr nach dem WM-Titel über sich ergehen lassen?

Die Anzahl habe ich jetzt so auf der Stelle nicht parat, aber ich weiß schon, welche ich erhalten habe, und weiß auch alle zu würdigen.

Sie haben unter anderem das Bundesverdienstkreuz und den Ehrenring Ihrer Heimatstadt Gummersbach erhalten und sind zum DOSB-Trainer des Jahres gewählt worden, Ihr Team ist außerdem die Mannschaft des Jahres. Freuen Sie sich noch über jede einzelne Auszeichnung, oder ist das inzwischen eher Arbeit für Sie?

Nein, Arbeit nicht. Jede einzelne Ehrung hat für mich ihren Wert gehabt. Das kann ich schon gut einordnen.

Was haben Sie denn eigentlich von der Handball-Bundesliga als Dankeschön erhalten – einen Präsentkorb oder eine schöne Reise?

(Lacht) Da kann ich mich nicht daran erinnern. Aber das wäre auch nicht nötig gewesen.

Aber die Liga dürfte sich doch schon ein wenig dafür erkenntlich zeigen, dass Sie ihr mit der Nationalmannschaft das Geld in die Taschen gespielt haben. Nach der WM gab es schließlich einen regelrechten Handballboom.

Die Liga war ja auch schon vorher erfolgreich, was die Zuschauerzahlen betrifft. Was Sie ansprechen, ist die Bedeutung, die der Handball in der Öffentlichkeit hat. Ich denke, das sehen viele Vereine aber gar nicht so. Die betrachten ihre Tätigkeit losgelöst von allem und nicht eingebunden in die Gesamtthematik Handball.

Wird nicht einmal an der Spitze der Bundesliga registriert, dass die Nationalmannschaft als Aushängeschild für den Erfolg zum großen Teil mitverantwortlich ist?

Die Vertreter der Spitzenvereine sagen das schon mal, aber ansonsten will man sich da nicht unbedingt weiter mit diesem Thema beschäftigen.

Finden Sie das schade?

Ich finde es schade, wenn man nicht die Sportart als Ganzes sieht. Denn die liegt mir am Herzen – ich bin sicherlich kein Egoist, dem es nur um die Nationalmannschaft geht. Aber ich weiß um ihre Bedeutung, und da wäre es mir natürlich lieber, wenn das in diesen Bereichen auch anders gesehen würde.

Wenn Ihnen der Handball so am Herzen liegt, muss es Sie auch schmerzen, dass Sie mit dem Titelgewinn die Kommerzialisierung und irrsinnigen Ablösesummen noch befeuert haben.

Teils, teils. Zum einen müssen wir schon, um auch die Weiterentwicklung des Handballs zu garantieren, an einer gewissen Professionalisierung arbeiten. Das entspricht schon meinen Vorstellungen. Dass dann damit verbunden immer mehr Spielerhändler unterwegs sind, die Egoismen immer mehr in den Vordergrund treten und die Gesamtbetrachtung außen vor bleibt, gefällt mir nicht so.

Für Ihre seit zehn Jahren gehegte Forderung nach einer Ausländerbeschränkung in der Liga war der Titel sicher auch eher kontraproduktiv. Man könnte sagen: Wieso denn? Es geht doch auch so.

Das ist natürlich eine sehr einseitige Betrachtungsweise. Wer sich ein bisschen auskennt, weiß, dass viele Führungsspieler in einer Zeit groß geworden sind, als es nur einen Ausländer pro Team gab. Andere Spieler haben später den Durchbruch nur durch Zufall geschafft – wenn Wallau nicht finanzielle Probleme gehabt hätte, hätte zum Beispiel Pascal Hens nie seine Chance bekommen. Christian Zeitz, Florian Kehrmann und Frank von Behren habe ich noch als Zweitligaspieler ins Nationalteam geholt. Und wenn nur ein paar Spieler ausfallen, komme ich sofort in Probleme. Die Auswahl an guten deutschen Spielern ist – anders als inzwischen zum Beispiel im Fußball – sehr, sehr gering.

Ein Entgegenkommen der Liga ist nicht absehbar. Braucht es erst eine große Krise wie im Fußball oder im Eishockey?

Vielleicht muss das wirklich so sein. Ich setze aber noch ein bisschen Hoffnung darauf, dass sich im Fußball die von Fifa-Präsident Joseph Blatter vorgeschlagene 6+5-Regelung durchsetzt, nach der die Mehrzahl der Spieler einheimisch sein muss. Dann würden bei uns sicherlich auch einige darüber nachdenken. In anderen Sportarten und Ländern geht das ja auch, ich denke nur ans deutsche Eishockey, den spanischen Basketball oder den italienischen Volleyball. Da steht der deutsche Handball relativ isoliert da.

Sie treten auch als Redner auf. Ihr Vortrag „Projekt Gold“ beschäftigt sich damit, was die Wirtschaft vom Sport lernen kann. Ein Punkt ist dabei, sich eine Vision zu suchen und an ihrer Erfüllung zu arbeiten. In dieser Hinsicht war 2007 für Sie ja eigentlich ziemlich ernüchternd.

Warum?

Viele Visionen bleiben Ihnen jetzt nicht mehr.

Doch, da bleiben noch viele. Für mich ist jeder Medaillengewinn eine Vision. Es geht eher darum, wie ein Trainer eine Mannschaft motivieren kann, und einer von vielen Punkten ist eben, eine Vision zu haben. So ein Ziel fordert zum Mitmachen auf. Wir haben immer wieder die Vision eines Medaillengewinns.

Und die größte ist endlich Gold bei Olympia?

Da haben wir noch nicht so viel darüber gesprochen, aber natürlich ist das im Hinterkopf. Olympia ist für jeden Sportler etwas ganz Besonderes. Das nächste Ziel ist aber erst mal die Europameisterschaft, die am 17. Januar beginnt.

Das Handballprojekt in Berlin hätte Sie als Vision doch eigentlich auch reizen müssen. Es heißt, Bob Hanning, Ihr ehemaliger Kotrainer und jetziger Geschäftsführer der Füchse, habe mal bei Ihnen angefragt, bevor Sie den Vertrag beim DHB in diesem Jahr bis 2013 verlängert haben.

Es war irgendwann mal angedacht, aber wir haben nie konkret darüber gesprochen. Ich habe immer gesagt, es würde mich reizen, in einer deutschen Großstadt etwas aufzubauen, aber in Berlin ergab sich nicht die Notwendigkeit, weil die Füchse schon aufgestiegen waren und sich nun in der Bundesliga etabliert haben. Jörn-Uwe Lommel macht da einen guten Job als Trainer. Und außerdem hatte ich mich sowieso für den DHB entschieden.

Hanning hat einmal von Ihnen gesagt, Sie seien ein „schrecklich fauler Mensch“. Wie kann man denn als fauler Mensch das Bundesverdienstkreuz kriegen?

Das hat er ein bisschen ironisch gemeint. Wer mich kennt, weiß, dass eigentlich das Gegenteil der Fall ist. Es gibt sicherlich wenige Trainer, die sich akribischer auf Spiele vorbereiten. Bob hat das damals in dem Zusammenhang gesagt, dass er als Kotrainer ein paar Vorbereitungen für mich erledigen musste wie Videoräume buchen.

Als eines Ihrer Erfolgsgeheimnisse nennen Sie die „Macht der verbalen Kommunikation“. Peitschen Sie Ihr Team vor jedem Team mit einer neuen Brandrede ein?

Ich denke, diese verbale Kommunikation wird häufig in einem falschen Licht dargestellt. Es geht eben nicht nur darum, Feuer zu versprühen. Das geht vielleicht im Falle einer relativ kurzen Tätigkeit wie bei Jürgen Klinsmann. Ich baue das auf anderen Dingen auf, damit ich auf die Mannschaft einwirken und dabei trotzdem einigermaßen glaubwürdig bleiben kann. Da ist Fachkompetenz nötig, man muss mit der Mannschaft kooperieren – und dazu sind wiederum Vertrauen, eine gewisse Konstanz und Verlässlichkeit nötig.

Also eher ruhige Einzelgespräche statt flammender Reden?

In Ausnahmefällen kann man das schon mal machen, aber nicht immer.

Sie gelten allgemein als Handballverrückter. Denken Sie immer noch jeden Morgen nach dem Aufwachen zuerst an Handball?

Nein, als Bundestrainer bin ich ja nicht so im Tagesgeschäft drin und habe auch sehr viele repräsentative Aufgaben. Klar, in den Monaten vor und während eines Turniers steht natürlich der reine Handball im Vordergrund. Nach der WM gingen mir auch noch jede Nacht Handballbilder durch den Kopf, aber im Laufe des Jahres relativiert sich das. Ich bin zwar eigentlich immer mit Handball beschäftigt, aber nicht so, dass es mich sofort nach dem Aufstehen belasten würde.

Ihr Vertrag als Bundestrainer läuft noch bis 2013. Danach wollen Sie „nicht mehr im Trainingsanzug auf der Bank sitzen“. Eine schöne Umschreibung dafür, dass Sie auch danach nicht ohne Handball können.

2013 bin ich 60, und eigentlich kann ich mir momentan wirklich nicht vorstellen, dann noch weiterzumachen. Auf der anderen Seite bin ich jetzt seit mehr als 35 Jahren im Spitzenhandball tätig, und so ganz lassen werde ich davon dann sicherlich auch nicht können. Und es gibt ja auch im Fußball durchaus Trainer, die in diesem Alter noch tätig sind wie Hans Meyer oder Otto Rehhagel. Aber warten wir doch mal ab, was bis 2013 noch so auf mich zukommt.

Vermutlich noch ein paar Ehrungen.

(Lacht) Na, mal sehen.

Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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