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Sport: Held in einem fernen Land

Constantin Ritzmann soll der Nowitzki im Football werden

Es war einmal der kräftige Junge Constantin, der hatte einen großen Bruder – nennen wir ihn Alexander. Der Ältere zog aus, um den Gegnern das Fürchten beizubringen. Und weil Constantin das so toll fand, wie sein Bruder andere Jungen mit seiner Stärke erschrecken konnte, wollte er das auch tun. Also nahm ihn Alexander eines Tages mit und sah, wie aus seinem kleinen Bruder ein starker Held wurde. Einer, der für seine Kraft in einem fernen Land Ruhm und Geld bekam. So hätte ein Märchen schon vor Jahrhunderten begonnen. Nur dass es heute nicht mehr vorgelesen, sondern live ins Kinderzimmer übertragen wird.

Die Grimms und Andersens haben dieses Märchen auch nicht aufgeschrieben, es ist vor neun Jahren in Berlin passiert, als Alexander Ritzmann seinen Bruder Constantin zum ersten Mal zum Footballtraining der Adler mitgenommen hat und aus ihm das größte deutsche Talent in dieser Sportart wurde. Inzwischen ist Constantin Ritzmann 23 Jahre alt, hat sein letztes Spiel für die Universität von Tennessee in Knoxville bestritten und steht vor dem Sprung in die National Football League. Er wäre der erste Feldspieler in der NFL, der in Deutschland geboren wurde und einen deutschen Pass hat.

Und was für die NFL noch mehr zählt: Er wäre im Football so etwas wie Dirk Nowitzki im Basketball. Der Deutsche könnte seiner Sportart den nötigen Popularitätsanschub geben. Vielleicht. Denn auch schon der gebürtige Deutsche Tom Nütten hat mit den St. Louis Rams das Endspiel der NFL – den Super Bowl – gewonnen und wurde in Deutschland nicht so richtig bekannt. Allerdings ist Nütten schon in den USA zur Schule gegangen und hat einen amerikanischen Pass. Es fehlte ihm die Verbundenheit zum Heimatland. Bei Ritzmann ist das anders. Er hält regen Kontakt zu Berlin Thunder, dem Berliner Team in der NFL Europe, dem er auch sein College-Programm zu verdanken hat. Und er wird in den USA als Deutscher identifiziert. Bei den Tennessee Volunteers bekam er den Spitznamen „the Germinator“. Mit seinen 119 Kilogramm, die sich auf 1 Meter 93 verteilen, hat der Verteidigungsspieler durchaus Ähnlichkeit mit seinem Namensvorbild.

Im Frühjahr geht Ritzmann in die so genannte NFL-Draft. Die Auswahl, wo sich die 32 Teams der US–Profiliga den Collegenachwuchs sichern. Seine Trainer trauen ihm eine frühe Auswahl durch ein starkes Team zu. Scouts von Oakland, Green Bay und Tampa haben sich bei Ritzmann schon gemeldet. Die NFL ist für jeden Footballer das höchste Ziel, denn noch immer findet der US-Sport Nummer eins im Gegensatz zur extremen Euphorie der Amerikaner außerhalb der Landesgrenzen relativ wenig Beachtung. Nur in der NFL lässt sich mit diesem Sport Geld und Ruhm verdienen. Das weiß auch die NFL, und deshalb versucht sie seit Jahren mit enormem Marketingaufwand den Sport auch in Europa und Asien populär zu machen, doch das greift nur langsam. Es fehlt in Deutschland eine Identifikationsfigur wie einst Detlef Schrempf oder jetzt Nowitzki in der NBA.

Schon seit mehreren Jahren wird Ritzmann deshalb jedes Jahr in die NFL gelobt – bisher immer mit dem Hinweis, dass er ja noch etwas Zeit hat im College. Doch die NFL forciert die Geschichte jedes Jahr aufs Neue. Immer passend zum Auftakt derPlay-offs, die an diesem Wochenende begonnen haben und in Deutschland beim Pay-TV-Sender Premiere gezeigt werden. Diesmal natürlich noch ohne Ritzmann. Der wird sich im Frühjahr erst durchs Trainingslager eines Teams qäulen müssen. Doch bis dahin ist das Interesse für Football schon längst wieder gesunken. Das beginnt schon nach dem Super Bowl am 1. Februar in Houston. Deshalb lässt sich mit Ritzmann wenigstens jetzt noch ein Teil der deutschen Öffentlichkeit erreichen, die die NFL-Spiele nicht nachts am Bildschirm oder im Internet verfolgen.

Ingo Wolff

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