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Sport: Helden mit Handicap

Kambodschas Behinderten-Volleyballer spielen als Botschafter im Kampf gegen Minen

Berlin. So kann ein Held aussehen: Yim Vannan ist 1,60 Meter groß, und sein rechtes Bein steckt vom Knie an abwärts in einer Prothese. „In Kambodscha kommen die Leute auf der Straße auf mich zu und sagen: Du bist großartig, wir sind stolz auf dich.“ Yim Vannan ist ein Held mit Handicap. Mit der Volleyball-Nationalmannschaft hat der 36-Jährige bei den Paralympics 2000 in Sydney mitgespielt – die erste Teilnahme einer Mannschaft aus Kambodscha. Im vergangenen Jahr sind sie Asienmeister geworden. Es war die erste Goldmedaille überhaupt für Kambodscha im Sport. Der König empfing die Spieler, alle Zeitungen berichteten, und im Fernsehen liefen Beiträge. Weil der Sport in Kambodscha sonst durch Korruption in Verruf geraten ist, hat der Premierminister gesagt: „Die behinderten Sportler haben uns Ehre gebracht, die anderen Schande.“

Von ihren Fähigkeiten haben sich am Donnerstag auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages bei einem Freundschaftsspiel in der Max-Schmeling-Halle überzeugen können. Politiker sind die richtigen Gegner für sie, denn ihre Geschichte ist eine sehr politische. Sieben der zwölf Nationalspieler sind Opfer von Landminen. In 30 Jahren Bürgerkrieg ist das ganze Land vermint worden, noch immer sollen bis zu sechs Millionen Anti-Personen-Minen im Dschungel und auf den Reisfeldern liegen. In keinem Land der Erde leben so viele Opfer. 25 000 Beinamputierte gibt es im Kambodscha, jährlich kommen 1000 dazu.

Als Yim Vannan an einem Tag im März 1987 nach Hause kam, war er nur ein Krüppel. Eine Mine hatte sein Bein zerfetzt, als er mit Regierungstruppen durch den Dschungel zog. Was eine Prothese ist, wusste er nicht. Seine Schwiegereltern drängten seine Frau, sich von ihm scheiden zu lassen. Behinderten wurde in Kambodscha nichts zugetraut. Die Religion trug ihren Teil dazu bei. Im Buddhismus herrscht der Glaube von der ewigen Wiederkehr. Was anders als eine Strafe für schlechte Taten in einem vorherigen Leben soll ein Unglück sein?

Das Volleyballspiel hat selbst dies überwunden. Als kürzlich die drei nationalen Zeitungen über das Finale der kambodschanischen Volleyball-Liga der Behinderten berichteten, haben sie einfach das „behindert“ weggelassen, berichtet Chris Minko. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es in Kambodscha eine Volleyball-Liga für Behinderte gibt mit bald 14 Mannschaften. Solch eine Liga existiert sonst nur im Iran. Kambodscha hat auch keine andere Liga im Sport, auch nicht bei den Nicht-Behinderten.

Als Entwicklungshelfer ist der Australier Minko 1995 nach Kambodscha gekommen und hat ein Jahr später ein Volleyball-Projekt für Minenversehrte ins Leben gerufen. „Ich wollte, dass diese Menschen aufstehen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Volleyball ist dazu gut geeignet: Es ist sehr populär in Asien und man braucht nur einen Ball“, sagt Minko. Die Anfänge waren beschwerlich. In der Vorbereitung auf die Paralympics in Sydney hat die ganze Mannschaft auf dem Dach eines Hauses übernachtet. Seit vier Jahren unterstützt auch das deutsche Nationale Olympische Komitee die Kambodschaner und finanziert einen Trainer. Nach Berlin eingeladen wurde sie von den Hilfsorganisationen Medico International und Misereor. Die Einladung ist Bestandteil der unter anderem von ihnen getragenen Kampagne gegen Landminen, die 1997 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

In Europa waren die Volleyballspieler ohnehin gerade, denn vor ein paar Tagen ist auf Rhodos die Weltmeisterschaft zu Ende gegangen. Ihr großes Ziel haben sie nicht erreicht, den Titel zu gewinnen. Sie belegten Platz sechs. Im nächsten Jahr wollen sie einen neuen Anlauf nehmen bei der Weltmeisterschaft, die dann in Mettmann bei Düsseldorf stattfindet. Bis dahin hoffen sie, dass andere Länder in ihrer Nachbarschaft ebenfalls eine Mannschaft aufbauen, Laos etwa oder Thailand. Sie wollen schließlich auch Behinderten im Ausland Mut machen. „Aus einer Tragödie haben wir etwas Großartiges gemacht“, sagt Minko. Eine eigene Sportsendung im Fernsehen ist im Gespräch, Tagesgespräch in den Cafés seien sie schon jetzt manchmal, sagt Minko. In der Nationalmannschaft haben sogar Spieler auf einer Seite gestanden, die im Bürgerkrieg gegeneinander gekämpft hatten. Die einen für die Roten Khmer, für die Regierungstruppen die anderen. „Sie haben einfach die Politik hinter sich gelassen“, sagt Chris Minko, „das war der größte Erfolg unseres Projekts.“

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