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Sport: Hellwach bei der Frühschicht

Deutsche Volleyballerinnen sorgen mit dem 3:2 gegen Kuba für eine Sensation

Von Karsten Doneck, dpa

Die Reise nach Aserbaidschan schien zur Studienfahrt zu werden. Erwartet wurden ein paar Lerneffekte – und bittere Niederlagen. Zu übermächtig schienen die Gegner zu sein, als dass der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft der Frauen ernsthaft zugetraut wurde, in der Olympia-Qualifikation zu bestehen. Hinterher jedoch war nur noch vom „Wunder von Baku“ die Rede. Deutschland hatte die gesamte Konkurrenz hinter sich gelassen: den Weltmeister Italien, den Europameister Polen, den Olympiazweiten Russland – und dann im Endspiel die Türkei, den Vize-Europameister, mit 3:0 abgekanzelt.

Die Mannschaft von Bundestrainer Hee Wan Lee hat den Geist von Baku offenbar mitgenommen nach Athen. Zum Auftakt des olympischen Turniers schaffte das deutsche Team gegen Olympiasieger Kuba die nächste faustdicke Überraschung. Nach einem 0:2-Satzrückstand gewann Deutschland noch 3:2 (20:25, 24:26, 25:22, 25:15, 17:15). Nächster Gruppengegner sind am Montag die USA – der WM-Zweite.

Für ihren Olympia-Auftakt hatten die deutschen Spielerinnen früh aus den Betten gemusst. Bereits um kurz nach fünf Uhr morgens war im Olympischen Dorf das Wecken angesetzt, vier Stunden später wurde schon im Peace Friendship Stadium von Athen aufgeschlagen, anfangs vor nur 500 Zuschauern.

Es war erstaunlich, wie die Kubanerinnen nach den ersten beiden gewonnenen Sätzen plötzlich abbauten. Waren sie vielleicht zu siegesgewiss? Oder reichte bei ihnen die Kraft nicht? Plötzlich drang Angreiferin Angelina Grün, gebürtige Tadschikin und eng befreundet mit Stefan Hübner, dem früheren Bundesligaspieler vom SC Charlottenburg, immer wieder durch den Block der Kubanerinnen. Dabei musste die deutsche Mannschaft sogar noch das Handikap verkraften, dass Judith Sylvester tagelang mit einem geschwollenen Arm herumgelaufen war. Eine Thrombose, diagnostizierten die Ärzte. Judith Sylvester kam deshalb gegen Kuba nur zu einem Kurzeinsatz.

Selbst Hee Wan Lee staunte darüber, wie seine Mannschaft die hoch favorisierten Kubanerinnen, besonders im vierten Satz, an die Wand spielte. „So stark waren wir noch nie“, lobte der Bundestrainer. Für Angelina Grün liegt das Geheimnis des Erfolgs im intakten Klima innerhalb der Mannschaft: „Die Moral hat den Ausschlag gegeben. Das ganze Team hat zusammengehalten.“ Auch Zuspielerin Tanja Hart lobte: „Bei uns kämpft eine für die andere.“

Angelina Grün hatte nach zwei Stunden Spielzeit mit einem Ass im Tiebreak des fünften Satzes den Schlusspunkt in der Partie zum 17:15 gesetzt. „Ich habe nur gedacht: ganz oder gar nicht“, schilderte Angelina Grün ihren Gemütszustand vor dem letzten Ball.

Ganz oder gar nicht – das könnte nun auch die Devise der Deutschen für ihre nächsten schweren Spiele sein. Neben Kuba und den USA gehören auch noch die in der Volleyball-Weltrangliste deutlich vor den Deutschen platzierten China und Russland der Gruppe an, nur ein Außenseiterdasein fristet die Dominikanische Republik. Um ins Viertelfinale zu kommen, muss Deutschland in der Sechser-Gruppe mindestens Vierter werden.

„Natürlich sind wir nur Außenseiter, aber wir sind ja für Überraschungen bekannt“, sagt Hee Wan Lee durchaus hoffnungsfroh, warnt aber vor Selbstüberschätzung: „Bei uns gibt es noch erhebliche Leistungsschwankungen.“ Solange sich die schwachen Phasen auf die ersten zwei Sätze beschränken und die starken Perioden – wie gegen Kuba – dann in den nächsten drei Sätzen folgen, wird der Bundestrainer diese Schwankungen auch noch verschmerzen können.

Die letzte Medaille für eine deutsche Frauen-Nationalmannschaft im Volleyball gab es übrigens 1980. Die DDR holte seinerzeit Silber. Doch so weit denken die deutschen Spielerinnen im Moment noch nicht. Angelina Grün sagt jedenfalls: „Wir stehen ja noch nicht mal in der nächsten Runde.“

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