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Sport: „Herrlich, die Nacktheit, das Spartanische“

Henry Maske über den Spaß, die Herausforderung und den Respekt davor, Max Schmeling zu spielen „Ein Film über mich? Vielleicht, wenn ich 90 bin.“

Herr Maske, gibt es gute Boxfilme?

Unbedingt. Nehmen Sie: „Million Dollar Baby“ von und mit Clint Eastwood. Ein grandioser Film, in dem eine Boxerin die Hauptakteurin ist. Was Morgan Freeman in diesem Film übers Boxen erzählt, ist ein Traum. Treffender geht es gar nicht.

Und die Rocky-Filme?

Na, die sind in erster Linie unterhaltsam und motivierend, wenn man sieht, wie konsequent jemand einem Ziel folgt. Ich nenne Ihnen noch zwei großartige Filme: „Cinderella Man“ mit Russel Crowe und „Raging Bull – Wie ein wilder Stier“ von Martin Scorsese mit Robert De Niro. Diese Filme packen den Zuschauer, und beileibe nicht nur den boxinteressierten.

Gibt es Schauspieler, die Boxer gut dargestellt haben?

Will Smith spielt Muhammad Ali und macht es klasse. Aber der Fachmann sieht, dass viel gespielt ist, nicht echt ist.

Halten Sie sich als ehemaliger Boxer für die Idealbesetzung Max Schmelings?

Das müssen andere, letztlich die Zuschauer beurteilen. Ich glaube, Regisseur Uwe Boll hat einen klugen Gedanken umgesetzt. Anfangs war es sehr mutig, sicher, aber er hat sich bestätigt. Ein Schauspieler kann selbst mit der größten Mühe kaum empfinden wie ein Boxer. Ein Schauspieler kann viele, viele Dinge besser ausdrücken als ich, aber ob er das Boxen echt präsentieren kann?

Anders gefragt: Was hat Boll mehr gereizt: dass Sie Schmeling kannten, oder dass sie Boxer waren?

Ich glaube, Uwe wusste gar nicht, dass ich ein gutes Verhältnis zu Max hatte. Ich denke vielmehr, dass er einschätzen konnte, dass die Rolle physisch anspruchsvoll werden würde und dass es darüber hinaus durchaus Ähnlichkeiten gibt.

Welche zum Beispiel?

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, ich möchte mich nicht mit Schmeling auf eine Stufe stellen. Ich meine das mehr als Boxer, von den Proportionen her. Schmeling war zwar Schwergewichtler, aber er wog nur 87 Kilogramm bei knapp 1,90 Meter Körpergröße. Das hatte Uwe mit Sicherheit auch berücksichtigt.

Nun genießt Uwe Boll als Regisseur nicht den allerbesten Ruf.

Ich finde, dass ist noch schmeichelhaft ausgedrückt. Bolls Schaffen ist sehr kritisch beurteilt worden ist. Auch ich war nicht frei davon. Deshalb habe ich mich mit ihm auseinandergesetzt, bevor ich meine Unterschrift gab. Dass ich ihn vorher nicht kannte, ist nicht ungewöhnlich. Dass ich Boll im Verlauf unserer gemeinsamen Arbeit kennen und auch schätzen gelernt habe, gehört aber auch dazu. Was ich ihm anrechne: Er hat das Thema Schmeling angefasst. Das hat sich vorher keiner getraut.

Warum eigentlich nicht?

Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten. Ich finde es höchst verwunderlich, dass es für diesen Film bis auf das Land Hessen, wo wir ein paar Drehs hatten, keinen Unterstützer gab.

Mit wem haben Sie während Ihrer Recherchen gesprochen?

Vor allem mit Waltraud Wegner, Schmelings Haushälterin. Für meine Begriffe hatte sie den intensivsten Kontakt zu ihm. Dann gab es noch einen älteren Herrn in Berlin. Herr Walch. Der rief mich an, nachdem er gehört hatte, dass ich die Rolle spielen soll. Er sagte: Vielleicht haben Sie Interesse, ich kannte Schmeling ganz gut. Er konnte mir viel über die Eheleute Schmeling berichten.

Schmeling ist 2005 im Alter von 99 Jahren verstorben. Hätten Sie ihn gern als Paten dabeigehabt?

Aber ja. Doch auch die Recherche hat der Person Schmeling für mich eine gewisse Tiefgründigkeit verliehen, die sich mir zu seinen Lebzeiten nicht offenbart hatte. Es geht ja vor allem um die Zeit, die ihn berühmt gemacht hat. Ich hätte es toll gefunden, wenn er noch da gewesen wäre. Aber so habe ich einen gewissen Freiraum bekommen.

Es wurde vorwiegend in Kroatien gedreht. Fehlen die Originalschauplätze?

Wer soll das bezahlen? Ich bin ja ein Laie und lebe nur von Dingen, die Schauspieler von sich preisgeben. Demnach ist nicht wichtig, wo man bestimmte Szenen spielt, sondern welches Gefühl man dabei entwickelt. Ein Beispiel: Wir hatten in Zagreb eine Trainingshalle gefunden ...

... in der Schmeling sich auf den ersten Louis-Kampf vorbereitet ...

... genau, so stelle ich mir eine alte Trainingshalle vor. Herrlich, die Nacktheit, das Spartanische. Ich war sofort begeistert. Ich sagte mir: Hier brauchst du gar nicht reinzufühlen, hier bist du sofort drin, im Thema, in der Zeit.

Was hat denn am Ende den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie sich dieses Projekt zugetraut haben? Es ging immerhin um die Titelrolle.

Ein entscheidender Punkt war der, dass Max Schmeling es so wollte.

Das müssen Sie uns erklären.

Es war 2002. Ich war zufällig bei ihm, als er das Angebot zu einem Film über ihn bekam. Seine spontane Aussage damals war: Dann spielt mich aber der Henry!

Was glauben Sie, warum wollte Schmeling, dass Sie ihn spielen?

Vielleicht weil er bei mir ein paar Dinge gefunden hatte, die ihm gefallen haben.

Zum Beispiel?

Das ist schwierig zu erklären. Wenn Sie Leute treffen, dann spüren Sie doch, ob derjenige Ihnen gefällt oder nicht. Ich glaube, Schmeling hat gefallen, dass ich nicht immer die Dinge gemacht habe, die man von mir erwartet hat. Als Profi hat man mich anfangs belächelt. Später gab mir der Erfolg recht. Ihm hat vielleicht gefallen, dass ich eine sehr gute Beziehung zu meiner Frau hatte. Und er hat gespürt, dass mein Trainer und ich eine spezielle Beziehung zueinander hatten. Das hat ihn vielleicht an seine Zeit erinnert.

Bekamen Sie nicht einen Schreck?

Nein, denn das war genauso schnell weg, wie es gekommen war. Dieses Projekt ist nicht umgesetzt worden. Und dann kommt im Sommer 2008 Boll auf mich zu und sagt, er will einen Schmelingfilm machen und ich soll Schmeling spielen.

Wie war Ihre Reaktion?

Ich dachte, dass es für ein solches Projekt doch bestimmt genügend Schauspieler gibt, die man dafür begeistern könne. Ich fragte: Warum gerade ich? Ich hielt das für eine Dummheit! Schließlich geht es ja auch um viel Geld. Und wenn so ein Film von der Kritik total verrissen wird, kann das für alle unangenehme Folgen haben.

Fürchteten Sie, Ihren Ruf zu verlieren?

Welchen Ruf? Als Schauspieler, als der ich versagen könnte, genieße ich doch keinen Ruf. Nein, diese Sorgen und Befürchtungen hatte ich weniger. Ich war es nicht, der um die Titelrolle gebettelt hat. Ich bin gefragt worden, und Boll sagte mir, dass er konkret mich haben wolle. Was also habe ich zu verlieren? Ich bin kein ausgebildeter Schauspieler. Im Zweifelsfall kann ich nur sagen, tut mir echt leid, ich habe mein Bestes gegeben – ich kann es leider nicht besser. Fertig.

Hatten Sie nie Zweifel?

Zweifel haben mich nie losgelassen. Der große Vorteil war, ich musste mich nicht morgen entscheiden und übermorgen den Film drehen. Mir war schon klar, dass das Unterfangen eine Menge Arbeit nicht nur für mich bedeutete.

Haben Sie Gefallen daran gefunden?

Die konkrete Person zu spielen, hat mir sehr großen Spaß gemacht, ja. Ich habe mich wohlgefühlt. Arved Birnbaum …

... er spielt die Nazi-Größe, den Reichssportführer Hans von Tschammer ...

... er hat mir unglaublich geholfen zu begreifen, was meine Aufgabe ist. Hier ging es darum, sich mit der Person Max Schmeling auseinanderzusetzen. Er hat mir den Zugang zum Filmischen gezeigt. Wir haben dann auf der Grundlage des Drehbuchs den Charakter Schmelings noch einmal zerlegt. Parallel dazu habe ich Schauspielunterricht genommen.

Der Film bildet Schmeling in den Dreißiger- und Vierzigerjahren ab. Ließ Schmelings Alter es zu, mit ihm über die Nazizeit zu sprechen? Ging das?

Intensiv nur einmal. Er hat mir mal erzählt, dass er im Nachhinein sehr dankbar dafür war, dass der zweite Kampf gegen Joe Louis 1938 verloren ging. Schmelings Sieg im ersten Kampf 1936 ist als deutscher Sieg von der Propaganda der Nazis dargestellt worden, als arischer Sieg. Das wäre sicherlich noch schlimmer geworden. In Amerika hatte man ihn in sportlicher Hinsicht schon als Hitlers Stellvertreter gesehen. Nach der brutalen Niederlage im zweiten Kampf musste er sich nicht mehr winden und wenden. Er wurde in den Krieg geschickt, als einstiger deutscher Spitzensportler in jener Zeit. Klar, Schmeling wurde hofiert von den Nazis, aber er hat sich nicht gemein gemacht. Er ist nicht in die NSDAP eingetreten und er hat an seiner tschechischen Frau Anny Ondra und seinem jüdischen Manager Jacobs festgehalten.

Schmeling hat seit Ende der Fünfzigerjahre als Konzessionär für Coca Cola gearbeitet, Sie führen als Franchise-Nehmer inzwischen neun Fastfood-Restaurants in Nordrhein-Westfalen. Absicht oder Zufall?

Könnte Absicht sein, es sieht so aus. Ich habe ihm damals von meinem Vorhaben erzählt. Er war sehr beruhigt, er fand es gut. Denn eines hat Schmeling immer mal wieder zu Axel Schulz und mir gesagt: Jungs, sammelt so viel Geld, wie möglich ist. Da haben wir uns gedacht: Mensch, was ist los? Max ist doch gar nicht so materiell! Aber er hatte eben auch schon mal alles verloren.

Wird es einmal einen Film über Sie geben?

Oh Gott, nein. Ich kann mich doch nicht mit Schmeling vergleichen. Er ist ungleich größer. Er ist eine Ikone. Ein Film über mich? Vielleicht, wenn ich 90 bin.

Und wer sollte Sie dann spielen?

Natürlich einer, der jetzt noch nicht geboren ist.

Das Gespräch führte

Michael Rosentritt.

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