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Querstreifen standen ihm gut. Der Stürmer Michael Preetz ist eine Hertha-Legende. Als Manager macht er in Nadelstreifen bisher einen weniger guten Eindruck.

© dpa

Hertha BSC: Blau-weißes Blut reicht nicht

Stefan Hermanns weiß, dass es ist nicht besonders originell ist, gegen Michael Preetz zu sein. Aber was spricht eigentlich für ihn als Manager? Wenig. Ein Essay über die Leiden der Hertha.

Die Empörung ist auch jetzt wieder groß, in den Internetforen wird über das Skandalurteil geschimpft, von kriminellen Machenschaften der Fußball-Mafia DFB ist die Rede. Der Aufruhr ist in gewisser Weise verständlich. Natürlich hat sich Hertha BSC einen anderen Ausgang der Sportgerichtsverhandlung um das Relegations-Rückspiel erhofft. Andererseits wird man den Eindruck nicht los: Völlig ungelegen kommt die Ausweitung der juristischen Auseinandersetzung Herthas Verantwortlichen nicht. 14 Tage sind seit dem Spiel in Düsseldorf vergangen, seit 14 Tagen müssten sich die Berliner eigentlich damit auseinandersetzen, dass sie künftig in der Zweiten Liga spielen – eine ernsthafte Aufarbeitung des Abstiegs und seiner Gründe aber hat es bis heute nicht gegeben. Soll es offensichtlich auch nicht. Herthas Präsident Werner Gegenbauer hat bereits angekündigt, die heutige Mitgliederversammlung zu einer Art Plebiszit über das weitere Vorgehen im juristischen Streit mit dem Deutschen Fußball-Bund zu machen.

Es ist nicht schwer zu durchschauen, welche Strategie dahintersteckt. Wenn es gelingt, Herthas Mitglieder auf den äußeren Feind DFB einzuschwören, lenkt das die Aufmerksamkeit von Michael Preetz ab. „Aus meiner Sicht braucht Hertha BSC keinen neuen Manager“, hat Gegenbauer schon vor einer Woche gesagt. Diese Weiter-so-Haltung ist nichts anderes als die Kehrseite des Preetz-muss-weg-Gezeters, die Gegenbauer „Teilen der Berliner Medien“ vorgehalten hat: Sie ist genauso undifferenziert und billig. Herthas Präsident stützt den Manager vorbehaltlos, aber hat er dessen Arbeit auch nur im Ansatz einer kritischen Prüfung unterzogen?. „Ich mag es überhaupt nicht, wenn nicht die Sachfragen diskutiert werden“, sagt Gegenbauer. Er selbst aber hat mit seiner eilig erklärten Nibelungentreue deutlich gezeigt, dass er an einer sachlichen Auseinandersetzung über die Rolle seines Managers überhaupt nicht interessiert ist.

Natürlich ist es nicht besonders originell, bei Misserfolgen immer nach personellen Konsequenzen zu schreien und die Köpfe der Schuldigen zu fordern. Aber was spricht eigentlich für Preetz? Dass blau-weißes Blut durch seine Adern fließt, kann doch nicht ernsthaft ein Argument für seine Weiterbeschäftigung sein.

Hertha flüchtet sich in Floskeln, Gegenbauer genauso wie Preetz, der schon bei der Entlassung von Trainer Michael Skibbe erklärt hat, dass er für diesen Fehler die Verantwortung übernehme. Aber was heißt Verantwortung übernehmen, wenn sie keine Konsequenzen hat? Seit drei Jahren ist Preetz im Amt, schon der Abstieg 2010 fällt in seine Verantwortung. Anschließend hat er zu Recht die Chance bekommen, den Schaden zu reparieren. Und jetzt? Soll er eine dritte Chance bekommen? Die wirklich letzte?

Das Paradoxe ist, dass Herthas Manager für sich genau das in Anspruch nimmt, was er bisher erfolgreich hintertrieben hat: Kontinuität in den Klub zu bringen. In drei Jahren unter Preetz hat Hertha fünf Cheftrainer beschäftigt, Jos Luhukay – nebenbei eine sehr gute Wahl – ist der sechste. „Wir müssen die Herausforderungen für die Zukunft bewältigen und zwar mit denen, die sich auskennen“, fordert Gegenbauer. Aber genau deshalb dürfte Preetz eigentlich nicht im Amt bleiben. Gerade seine Personalentscheidungen haben erhebliche Zweifel an der Sachkenntnis des Managers aufkommen lassen.

Trainerverpflichtungen müssen nicht zwingend originell sein, aber Lucien Favre durch den Sachbearbeiter Friedhelm Funkel zu ersetzen, wie es Preetz nach nicht mal vier Monaten im Amt getan hat, zeugt von Hilflosigkeit. Und über die Idee mit Otto Rehhagel hat in diesem Frühjahr ganz Deutschland gelacht – nur Preetz hat dessen Reaktivierung für den großen Coup gehalten, auf den niemand gekommen ist. Warum wohl nicht? Als Rehhagel bei Hertha angefangen hat, lag die Mannschaft auf Rang 15; erst unter seiner Verantwortung rutschte sie zum ersten Mal auf einen Abstiegsplatz.

Rehhagel war die letzte Patrone, die Preetz von Gegenbauer nach dem Fiasko mit Skibbe noch zugebilligt worden war. Dessen sechswöchige Episode hat den hoch verschuldeten Klub 750 000 Euro gekostet, und Preetz ist in dieser Personalie mindestens grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Dass Skibbe seiner Arbeit nicht gerade mit Feuereifer nachgegangen sein soll, war in Frankfurt, wo er die Eintracht trainiert hatte, ein offenes Geheimnis. Entweder kannte Preetz diese Gerüchte nicht, oder er hat sie ignoriert. Man weiß nicht, was schlimmer wäre.

Seitdem Preetz Manager ist, hat es kein Spieler aus Herthas Nachwuchs dauerhaft zu den Profis geschafft. Daran trägt er nicht unmittelbar die Schuld, mittelbar schon. Unter den ständigen Trainerwechseln litten vor allem die jüngeren Spieler. Marco Djuricin und Alfredo Morales wurden von Otto Rehhagel in die U 23 zurückgestuft. Aus Rehhagels Sicht war das verständlich: Warum sollte ein Trainer, der nur ein paar Monate bleibt, mittel- oder langfristig denken? Für einen Verein aber, der darauf angewiesen ist, sich seine Stars mangels Finanzkraft selbst heranzuziehen, ist es ein Desaster. Talente wie Jerome Kiesewetter, (19, nach Stuttgart), Roussel Ngankam-Hontcheu (18, Nürnberg) und Christopher Lenz (17, Gladbach) verlassen Hertha gerade. Wenn Preetz diesen Spielern nun nachsagt, sie hätten „nicht den Status, dass sie sich in den nächsten Jahren hätten oben etablieren können“, klingt eine gewisse Beleidigung durch. Über Kiesewetter hat er vor einem halben Jahr noch geurteilt: „Jeromes Entwicklung macht einfach Spaß.“

Die Perspektiven von Roussel Ngankam-Hontcheu und Christopher Lenz wird im Moment niemand verlässlich einschätzen können, auch Roland Virkus, der Nachwuchschef von Borussia Mönchengladbach, nimmt das nicht für sich in Anspruch. „Wir reden über Wahrscheinlichkeiten“, sagt er. Aber bei Lenz hat er zumindest hoffnungsvolle Ansätze gesehen. Was Virkus über den Linksfuß sagt, klingt jedenfalls vielversprechend: „Er ist charakterlich einwandfrei, zielorientiert, besitzt gute Antizipation, ist bissig, aggressiv und willig.“ Ob Hertha diese Qualitäten braucht, kann jeder selbst einschätzen.

Michael Preetz ist in seiner Amtszeit vieles schuldig geblieben, nicht nur im Kernressort Sport, sondern auch in den von ihm verantworteten Bereichen Kommunikation und Medien. Die Mannschaft spielte in der Rückrunde so zaghaft, wie Preetz den Verein als Manager geführt hat. Die Außendarstellung war verheerend. Preetz, der als Spieler über eine gewisse Ausstrahlung und eine gewinnende Art verfügt hat, ist in seiner neuen Rolle erschreckend blass geblieben. Wofür steht er? Welche Idee hat er ? Wohin will er mit Hertha? Wie gedenkt er den Klub zu prägen? Selbst nach drei Jahren kann niemand diese Fragen beantworten. Vielleicht nicht einmal der Manager selbst.

In der abgelaufenen Saison sind Preetz die Dinge entglitten. Als die Mannschaft nach der Winterpause ins Rutschen geriet, fehlte ihm eine Idee, um diese Entwicklung zu stoppen. Das war beim ersten Abstieg zwei Jahre zuvor nicht anders, und gerade in solchen Situationen muss man unweigerlich an Dieter Hoeneß denken, den Vorgänger von Preetz als Geschäftsführer. Hoeneß hat Misserfolg stets als persönliche Beleidigung verstanden und deshalb in Zeiten der Krise erst recht seinen Kopf herausgestreckt. Preetz zieht sich in solchen Situationen zurück. Als Mitte Februar rund 200 frustrierte Ultras das Klubgelände enterten, saß Herthas Manager in seinem Büro, aus dem er den besten Blick aufs Gelände hat. Zwei Stunden lang war er nicht zu sehen. Hoeneß wäre der Meute vermutlich mit hochrotem Kopf entgegengestürmt, hätte sich mit den Anführern ein heftiges Wortgefecht geliefert – bis sich am Ende alle herthaselig in den Armen gelegen hätten.

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