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Retter der Tafelrunde. Herthas Co-Trainer Rainer Widmayer kann stundenlang über Fußball und Taktik referieren, ohne dass es langweilig wird. Der 51-Jährige genießt einen exzellenten Ruf in der Branche – und ist entsprechend begehrt.

© imago/Matthias Koch

Hertha BSC: Co-Trainer Rainer Widmayer geht zu Saisonende wohl zum VfB Stuttgart

Jetzt wollte ihn Hertha BSC noch nicht gehen lassen. Aber am Saisonende läuft der Vertrag von Co-Trainer Rainer Widmayer aus. Dann zieht es ihn weg.

Für gewöhnlich ist Rainer Widmayer ein redseliger, kommunikativer Mensch. Wenn es um seine Leidenschaft, wenn es also um Fußball geht, kann der Co-Trainer von Hertha BSC stundenlang und mit einer Hingabe sprechen, dass es bei allem Fachchinesich nie langweilig oder eintönig wird. Am Donnerstagvormittag, nach der letzten öffentlichen Trainingseinheit der Berliner vor dem Bundesliga-Auswärtsspiel in Dortmund, ist Widmayer allerdings sehr kurz angebunden. „Ich habe zweieinhalb Wochen alles versucht und alle Möglichkeiten gecheckt“, sagt er auf dem Weg vom Trainingsplatz in die Kabine. „Aber das Thema ist jetzt durch – und ich kann Herthas Position voll und ganz verstehen.“

Das Thema – damit meint Widmayer die Nachricht, die tags zuvor die Runde machte. Demnach hat sich sein Heimatverein, der VfB Stuttgart, mit Nachdruck um die Dienste des 51-Jährigen bemüht; auch Widmayer ist mit dem Wunsch an die Berliner Vereinsführung herangetreten, seinen im Sommer 2019 auslaufenden Vertrag vorzeitig aufzulösen. Dazu kommt es nicht, weil die Berliner ihren Co-Trainer nicht inmitten einer bisher vielversprechenden Spielzeit abgeben wollen. „Was nach der Saison passiert, muss man abwarten“, sagt Widmayer noch, bevor er in der Kabine verschwindet. Nach Tagesspiegel-Informationen gilt jedoch als sicher, dass er im Sommer 2019 geht. Zurück nach Hause, zurück zum VfB Stuttgart, seinem Heimatverein. Womöglich wird der VfB bereits in der Winterpause einen neuerlichen Vorstoß wagen und noch einmal bei Hertha BSC anklopfen, sagt ein langjähriger Beobachter des Vereins.

In Stuttgart war Widmayer schon mehrfach im Gespräch

Dafür sprechen zahlreiche Indizien. Widmayer ist in Sindelfingen geboren, seine Familie lebt im Großraum Stuttgart. Wenn es die Zeit und der Spielplan erlauben, pendelt er zwischen Berlin und Stuttgart hin und her, immerhin gibt es eine anständige und verlässliche Flugverbindung. Ein Dauerzustand, das hat Widmayer oft erzählt, ist die aktuelle Familiensituation für ihn und seine Liebsten aber nicht. Nach Jahren der Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Zürich, St. Gallen, Hoffenheim und Berlin führten, sehnt sich der Vater zweier Söhne nach einem familiären Mittelpunkt in vertrauter Umgebung. „Weil ich so viel unterwegs war, habe ich leider verpasst, wie meine Kinder groß geworden sind“, hat Widmayer im Trainingslager in Schladming in einem Interview mit dem Tagesspiegel erzählt, „das tut schon ein bisschen weh“. So weit zum Privaten.

Darüber hinaus wird Widmayer ein ausgesprochen guter Draht zu Wolfgang Dietrich nachgesagt, dem Präsidenten des VfB Stuttgart. Dietrich hätte dem kürzlich installierten Cheftrainer Markus Weinzierl gern einen kompetenten und anerkannten Fachmann wie Widmayer an die Seite gestellt. Herthas Co-Trainer war bereits ein Kandidat für selbigen Posten, als der VfB Hannes Wolf verpflichtete, also kurz nach Dietrichs Wahl zum Vereinspräsidenten.

Im Moment umfasst der Betreuerstab neben Chefcoach Weinzierl vier weitere Angestellte: einen Assistenztrainer, zwei Athletiktrainer und einen Verantwortlichen für die Torhüter. Für Widmayer, so ist aus dem Schwabenland zu vernehmen, würden sie aber jederzeit einen weiteren Posten schaffen – zumal sie nach einem Kandidaten fahnden, der seine Handschrift im Verein unabhängig vom Namen des aktuellen Cheftrainers hinterlässt, vergleichbar etwa mit dem ewigen Hermann Gerland beim FC Bayern München. Dass Widmayer seinen Heimatverein aus dem Effeff kennt, dürfte ihm ebenfalls nicht zum Nachteil gereichen. Für seine Rückkehr spricht darüber hinaus, dass sie in Stuttgart trotz der jüngsten Absage aus Berlin keinen akuten Handlungsbedarf sehen.

Dardais wichtigster Zuarbeiter

Widmayer hat sich in seiner Branche einen exzellenten Ruf erarbeitet. In Berlin gilt er als fleißiger und vielleicht wichtigster Zuarbeiter für Pal Dardai. Der ungarische Cheftrainer ist in seiner Funktion eher um das große Ganze bemüht, er moderiert, dirigiert und repräsentiert den Verein nach außen. Die fußballerischen Inhalte kommen dagegen sehr oft von Rainer Widmayer, genau wie die taktischen Finessen – oder wie es auf Fußball-Neudeutsch heißt: der Matchplan.

Herthas Trainer Pal Dardai etwa ist am Donnerstag auf den nächsten Gegner in der Bundesliga angesprochen worden, auf Borussia Dortmund. Wie er den berauschenden 4:0-Sieg des BVB gegen Atletico Madrid verfolgt habe und welche Schlüsse man daraus ziehen könne, wollte ein Reporter wissen. Dardai saß vorn auf dem Podium und lächelte erhaben. „Ganz ehrlich: ich weiß es nicht“, antwortete Dardai, „ich konnte gestern Abend nicht Fußball gucken, weil ich mit meiner Frau im Kino war.“ Es brauchte nicht viel Fantasie um zu erraten, wer das Spiel garantiert gesehen hat: sein Co-Trainer.

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