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Lucio

© Imago

Hertha BSC: Das angeschlagene Versprechen

Der Mann schuftet. Zu seinem Leidwesen oft ohne die Kollegen. Herthas Lucio kämpft eifrig für sein Comeback.

Wenn bei Hertha BSC im Trainingslager größere Aufgaben mit dem Ball anstehen, dann macht Lucio auf dem Nebenplatz des kleinen Stadions im österreichischen Stegersbach allein seine Übungen, dann spurtet er ehrgeizig um die Hütchen oder Stangen. Es ist ein einsamer Kampf, ein Kampf um die eigene Gesundheit, ein Kampf um das Comeback. Sein Trainer ist von dem Eifer des Brasilianers beeindruckt. „Lucio arbeitet sechs, sieben Stunden am Tag“, sagt Lucien Favre. Und dann guckt der ehemalige Schweizer Fußballprofi betroffen: „Ich weiß selber, wie schwer es ist, nach so einer Verletzung zurückzukommen.“

Lucio will zurückkommen. Das illustriert er mit seiner dunklen Lockenpracht. Die Haare sind inzwischen schulterlang. Abschneiden will der Mittelfeldspieler sie erst, wenn er wieder für Hertha auflaufen kann. Am 1. Oktober 2007 passierte ihm gegen Schalke sein Unglück: Nach einem Zweikampf mit Peter Lövenkrands blieb Lucio im Rasen hängen. Nach dem Sturz schrie er seine Schmerzen heraus. Kreuzbandriss, Anriss der Patellasehne, Innenband- und Meniskusschaden – Verletzungen, nach denen sich mancher Profi gleich auf den Weg zur Berufsgenossenschaft begibt. Lucio nahm den Kampf auf. Zwei Tage nach seinem Unfall wurde er in einer Spezialklinik operiert. Danach sagte Lucio: „Ich will so schnell wie möglich mit der Rehabilitation beginnen.“

Doch es folgten weitere Operationen und die Hoffnung auf ein Comeback war bei Lucio wohl größer als in seinem Umfeld. „Lucio selbst ist sehr kämpferisch“, sagte Manager Dieter Hoeneß im Oktober vergangenen Jahres. Und tatsächlich, schon im Januar war Lucio bei Herthas Trainingslager auf Teneriffa dabei, absolvierte abseits des Mannschaftstrainings seine Rehabilitationsmaßnahmen – mit ungebrochenem Optimismus. „Das Schlimmste liegt hinter mir“, glaubte er.

Für Hertha war der Ausfall des Mittelfeldspielers ein schwerer Schlag. Hoeneß war zu Saisonbeginn von seinem Zugang aus Brasilien so überzeugt, dass er ihn gleich für vier Jahre unterschreiben ließ. Das war etwas Neues für Lucio, der schon für elf verschiedene Klubs gespielt hatte. Ihm eilte der Ruf eines taktisch klugen und laufstarken Spielers voraus. Obwohl er den europäischen Fußball nicht kannte, glaubte Hoeneß, „dass Lucio wenig Zeit brauchen wird, um sich zurechtzufinden“. Den Beweis seiner Integrationsfähigkeit konnte Lucio bei Hertha aber kaum bringen – nur acht Bundesligaspiele machte der Brasilianer. Nur einmal, beim 3:2 gegen Dortmund, demonstrierte er sein Können. Gut neun Monate später kämpft er nun noch mit Bewegungseinschränkungen im Knie. Wie lange braucht Lucio noch? „Jetzt kommt es darauf an, ob er den letzten Schritt schafft“, sagt Favre, der gestern für einen Tag nach Moldawien reiste. Favre besuchte ein Spiel von FC Nistru Otaci, Herthas Gegner im Uefa-Cup.

Im Juni wurde Lucio 29 Jahre alt. Öffentlich reden will er über seine Verletzung nicht mehr. Aber den Glauben an sein Comeback habe er natürlich nicht verloren, sagt Raffael, einer seiner Landsleute bei Hertha. „Ich rede viel mit ihm. Wir brauchen ihn.“ Immerhin hatte Lucio bei seiner Vorstellung im vergangenen Jahr versprochen: „Ich will nicht nur dabei sein, ich möchte auch in die Geschichte des Klubs eingehen.“ So wie er jetzt im Trainingslager an seinem Comeback arbeitet, ist es durchaus denkbar, dass er sein Versprechen noch einlösen kann.

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