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Cufre-Tritt

© pa/Ulmer

Hertha BSC: Die verrückte Reise eines verirrten Fußes

Ein Mann, ein Tritt, ein Foto: Neuzugang Cufré attackierte 2006 nach dem WM-Viertelfinale den Deutschen Per Mertesacker. Jetzt ist er zurück in Berlin.

Berlin - Skandal? Dieter Hoeneß winkt ab. Warum denn? „Wir haben das Spiel doch gewonnen.“

Das ist im Sinne der Völkerverständigung formuliert, aber nicht ganz uneigennützig. Der Manager von Hertha BSc wirbt schließlich um Verständnis für einen neuen Angestellten seines Klubs. Ja, Deutschland hat am 30. Juni 2006 das WM-Viertelfinale gegen Argentinien gewonnen. Und doch wird Leandro Cufré noch ein paar Mal erklären müssen, was unmittelbar nach dem dramatischen Elfmeterschießen passiert ist. Warum sich sein Fuß in die Weichteile von Per Mertesacker verirrte, obwohl er selbst doch gar nicht mitgespielt hatte. Leandro Cufré sagt, dass es ihm leid tue, aber man müsse schon verstehen, diese verfluchten Emotionen, und überhaupt habe alles ganz anders angefangen. Aber von ihm gebe es nun mal das kompromittierende Foto, und natürlich werde er sich bei Mertesacker entschuldigen, wenn er mit Hertha BSC gegen Werder Bremen spiele, im Berliner Olympiastadion, dem Tatort der Entgleisung. Mertesacker hat via „Bild“ ausrichten lassen, er müsse sich noch überlegen, ob er die Entschuldigung annehme.

Es sind dies keine einfachen Zeiten für den Fußballprofi Leandro Cufré. Seinen Job bei AS Monaco ist er auf dubiose Weise losgeworden, und der neue Arbeitgeber residiert ausgerechnet dort, wo der Argentinier den denkbar schlechtesten Leumund besitzt. Seit seinem Berliner Tritt gegen Mertesacker gilt er als Vater aller schlechten Verlierer. Einer, zu dem es ganz gut passe, dass er Monaco wegen eines angeblich gefälschten Passes verlassen musste. Die französische Liga hatte ihm am 15. Januar den Status des Fußball-Italieners entzogen – und damit die Grundlage seines Arbeitsvertrages. Cufrés Version klingt ein wenig anders. Den Pass habe er nach wie vor, was ihm fehle, sei eine entsprechende Bescheinigung des italienischen Konsulats. Das wiederum liege daran, dass seine aus Bari stammende Mutter ein paar Jahre vor seiner Geburt aus arbeitsrechtlichen Gründen die italienische Staatsbürgerschaft abgegeben habe. Ein verwaltungstechnisches Problem, im Sommer werde alles bereinigt sein, aber da wird sein Vertrag mit Monaco schon ausgelaufen sein.

Also hat Leandro Cufré einen neuen Klub gesucht und am Donnerstag einen gefunden, der gerade auf der Suche nach einem erfahrenen Verteidiger war. Monaco lässt ihn ablösefrei ziehen. Es gab auch Interesse von Paris St. Germain, aber sein Agent hat ihm abgeraten – in Paris wäre er immer der aus Monaco gewesen, die Leute kennen ihn dort als tragende Säule der Verteidigung, die St. Germains Stürmern im Eröffnungsspiel dieser Saison kein einziges Tor gestattet hat. Gern hätte ihn sein argentinischer Stammklub La Plata heimgeholt, doch dafür fühlt Cufré sich mit seinen 30 Jahren noch ein bisschen zu jung. Und gar kein Thema war eine Anfrage von AEK Athen, denn der Berater hat ihm gesagt, die griechische Liga sei abseits der zwei, drei Spitzenklubs zu schlecht. „Hertha ist ein großer Klub und die Bundesliga eine große Liga“, sagt Cufré. Der Vertrag läuft bis zum Ende dieser Saison, „die Zeit danach ist offen“. Vielleicht bleibt er, vielleicht kehrt er auch zurück nach Monaco, wenn denn alle Angelegenheiten mit dem Konsulat geklärt sind.

Wenn es mit den technischen Formalitäten klappt, wird Cufré schon am Samstag zum Auftakt der Bundesliga-Rückrunde gegen Eintracht Frankfurt zu Herthas Kader gehören. „Ich habe die Bundesliga aufmerksam über das Fernsehen verfolgt“, sagt der Argentinier. Im Gegenzug hat Lucien Favre beim gewohnt aufmerksamen DVD-Studium ausgemacht, dass Cufré links, rechts oder zentral verteidigen kann, also auf allen Positionen der Viererkette. Und natürlich hat Herthas Trainer zur Charakterisierung dieser Vielseitigkeit seine Lieblingsvokabel bemüht – sie beginnt mit poly- und endet mit -valent.

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