zum Hauptinhalt

Sport: Hertha BSC: Erklärungsnot

Wollmütze auf dem Kopf, eine leidende Miene aufgesetzt - man hätte fast Mitleid mit ihm haben können. Bevor seine Mannschaftskollegen zum Trainingsplatz liefen, ließ er sich von seinem Chauffeur nach Hause fahren.

Wollmütze auf dem Kopf, eine leidende Miene aufgesetzt - man hätte fast Mitleid mit ihm haben können. Bevor seine Mannschaftskollegen zum Trainingsplatz liefen, ließ er sich von seinem Chauffeur nach Hause fahren. Eine leichte Erkältung habe er, sagte Jürgen Röber, sein Trainer. Er akzeptierte offenbar die Entschuldigung von Alex Alves.

Es war kein Pflichttraining. Ihr Auslauf-Programm hatten die Fußballer von Hertha BSC schon am Vorabend absolviert, nach dem 2:1 gegen 1860 München. Gekommen waren dennoch fast alle. Alex Alves nicht. Hätte nicht gerade er mitmachen, besonderen Ehrgeiz entwickeln müssen? Vielleicht sogar Missverständnisse ausräumen können? Schließlich war er am Abend zuvor vom Platz gestellt worden. Zum dritten Mal in seinen eineinhalb Jahren bei Hertha.

Zum Thema Fotostrecke I: Hertha Backstage Fotostrecke II: Die Bilder der Saison 01/02 Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de So richtig gesehen hat die Szene, die mit zwei Roten Karten geahndet wurde, kaum einer, auch die Fernsehbilder konnten keine Aufklärung liefern. Offenbar aber Peter Weise, der Mann an der Seitenlinie. Der machte Schiedsrichter Lutz Wagner klar, dass da beim Duell zwei gegen die Regeln verstoßen hatten: Alex Alves und Vidar Riseth. Der Berliner ging, vielleicht schuldbewusst, vom Platz, ohne zu protestieren. "Die Brasilianer sind so erzogen", sagte Herthas Manager Dieter Hoeneß. "Wenn sie die Rote Karte sehen, dann gehen sie eben."

Riseth, der Norweger, protestierte energisch. Vergeblich. "Alex Alves hat mich mit dem Ellenbogen geschlagen. Als ich ihn wegstieß, ließ er sich theatralisch fallen. Das war höchst unsportlich", schimpfte der Münchner. Wagner ließ sich nicht beirren.

Hoeneß nahm, wie sollte es anders sein, Partei für Alves. Der sei von Riseth festgehalten worden und habe sich losreißen wollen. "Den Ellenbogen hat er dabei aber nicht benutzt. Es war keine Tätlichkeit." Der Schiedsrichter vermerkte jedoch einen Ellenbogenstoß. Gestern Nachmittag versuchte Herthas Anwalt Christoph Schickardt, die DFB-Gerichtsbarkeit von der Hertha-Darstellung zu überzeugen. Erschwerend fällt ins Gewicht, dass Alves ein Wiederholungstäter ist. Der Kontrollausschuss entschied auf "unsportliches Verhalten". Das Urteil fällt heute das DFB-Sportgericht. Nach Angaben von Hoeneß droht Alves eine Sperre von zwei bis vier Spielen.

Wie auch immer das Urteil ausfällt, die Freude des Fußball-Bundesligisten über seinen ersten Brasilianer und den teuersten Spieler der Vereinsgeschichte dürfte nicht größer geworden sein. Rund 35 Millionen Mark lässt sich Hertha BSC die viereinhalb Jahre mit Alves kosten. Den Beweis, dieses viele Geld wert zu sein, hat der 26-Jährige bislang nicht erbringen können. Zwölf Tore seit seiner Verpflichtung im Januar 2000, darunter das höchst sehenswerte vom Anstoßkreis gegen den 1. FC Köln, so manch spektakuläre Aktion - zu wenig. Und dann immer wieder das egoistische Ignorieren seiner Mitspieler, die erschreckenden Abspielfehler selbst aus Nahdistanz. Schließlich die leidige Fußpilz-Affäre. Nun die leichte Erkältung und der dritte Platzverweis. Zu viel des Schlechten.

Jürgen Röber aber hält an Alves fest und will ihn morgen - wohl auch mangels Alternative - beim Uefa-Cup-Spiel in Westerlo (18 Uhr, live in der ARD) aufstellen. "Wir wissen doch alle, dass der Alex ein überragender Fußballer ist", sagt der Trainer. "Er muss das nur auf dem Platz umsetzen". Und dafür sorgen, dass er bis zum Schlusspfiff auf dem Platz bleiben darf.

Klaus Rocca

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false