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Bauchlandung. Nachdem es Salomon Kalou mit einem lässigen Heber gegen den Frankfurter Torwart probiert hatte und scheiterte, wurde der 29 Jahre alte Ivorer von Mitspielern und Trainer kritisiert.

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Hertha BSC nach dem 0:0 gegen Eintracht Frankfurt: Das Problem mit der falschen, flachen Neun

Stürmer Salomon Kalou unterlässt das Toreschießen und verlängert damit für Hertha BSC die Zeit der Ungewissheit im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga. Ein Matchball bleibt der Mannschaft von Trainer Pal Dardai noch.

Man stelle sich einfach mal vor, die Spielzeit der Fußball-Bundesliga würde noch einen Spieltag mehr haben, also einen Fünfunddreißigsten. Dann würde Berlins Vertreter in dieser Spielklasse, nämlich Hertha BSC, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit absteigen. Seit sechs Spieltagen zehrt Hertha von einem zwischenzeitlich angefressenem Polster auf die Abstiegskandidaten, die ihrerseits aber so ziemlich alles dafür getan haben, bloß nicht an den taumelnden Berlinern vorbeizuziehen. Und so wird es Hertha aller Voraussicht nach nicht mehr ganz erwischen können, wenn am kommenden Wochenende die Saison nach 34 Spieltagen abgepfiffen wird. Und ganz sicher werden die Berliner für diesen Fall wissen, bei wem sie sich zu bedanken haben.

Jedenfalls nicht – stand jetzt – bei Salomon Kalou. Der 29-jährige Mittelstürmer hatte am Samstag gegen Frankfurt Herthas Rettung praktisch auf dem Fuß. Doch statt den Ball, den er sich sogar selbst ergattert hatte, humorlos am Frankfurter Torwart vorbei ins Tor zu schieben, machte er Zirkus. Kalou wollte den Ball über den Torwart hinweg ins Tor lupfen. So blieb es beim 0:0, was hinterher den einen oder anderen Mitspieler auf die Palme brachte. "Fragen Sie unsere blinden Stürmer", fauchte etwa Thomas Kraft. Und auch Pal Dardai, der Trainer, ging mit dem Millionen-Einkauf ungewöhnlich frontal ins Gericht. "Was Kalou da gemacht hat in unserer Situation, finde ich nicht in Ordnung. Da muss er schon in den Spiegel schauen und sich fragen, ob er die richtige Einschätzung hat."

Hertha-Trainer Pal Dardai: "Wichtig ist die Körpersprache"

Nun hat Herthas Dilemma, noch eine weitere Woche im Ungewissen zu verharren, nicht allein mit Kalou zu tun. Die Mannschaft, die sich seit Wochen so schwer tut, selbst gegen harmlose Gegner Torchancen zu kreieren, ist von einer seltenen Abschlussschwäche befallen. Und wenn sich eine erstklassige Chance bietet, dann wird sie verlässlich verdaddelt. So wie es Kalou mit Kunst probierte, was vielleicht bei einem Spielstand von 4:0 ginge, nicht aber, wenn sie über das Wohl und Wehe einer ganzen Saison richten kann.

"Bei mir dürfen die Jungs Fehler machen, wichtig ist die Körpersprache", sagte Dardai anderntags. Mit spielerischer Eleganz werde Hertha den Klassenerhalt nicht erreichen, andererseits gingen alle verheißungsvollen Offensivaktionen gegen Frankfurt von Kalou aus. Seine Torgefahr braucht Hertha, weil sonst nicht viel ist. Oder wie es Per Skjelbred ausdrückte: "Wir machen eine gute Defensivarbeit. Aber vorn treffen wir im Moment einfach nicht."

Letzter Matchball gegen Hoffenheim

Herthas ausgewachsene Kalamität vor des Gegners Tor zehrt nicht nur an den Nerven der Anhängerschaft, sondern drückt inzwischen auch auf das Binnenklima der Mannschaft. Das wird so nie einer sagen aus der Gruppe, aber die Ausgelassenheit, das bisweilen heitere Selbstbewusstsein, das manche März-Einheit umwehte, hat sich längst verflüchtigt. Vieles wirkt angestrengt und angespannt. Gegenseitige Schuldzuweisungen wären jetzt Gift für das Gruppengemüt. Vermutlich auch deshalb suchte Thomas Kraft am Sonntag nach dem Auslauftraining noch einmal die Öffentlichkeit. Der Blinde-Stürmer-Satz sei aus seiner Emotionalität heraus gefallen und überhaupt eine "dumme Aussage" gewesen. "Für mich sind Mittelstürmer und Torhüter ganz eigene Seelen", sagte Dardai. Beide hätten sich – im Interesse des allgemeinen Seelenfriedens – ausgesprochen, damit sei die Sache geklärt.

Dann bliebe ja nur noch die Sache mit der Ligazugehörigkeit für die kommende Spielzeit zu klären. Pal Dardai sagte, dass er überhaupt nicht gerechnet habe, wann und wo, was und wie passieren müsste, damit Hertha drin bliebe. "Ich bin froh, dass wir es in der eigenen Hand haben", sagte er. Pardon, aber das hat seine Mannschaft seit einer gefühlten Ewigkeit. Nur hat sie bisher damit nichts anfangen können. Drei der vier Matchbälle, von denen Pal Dardai vor Wochen sprach, haben die Berliner vergeben. Bleibt noch einer, am letzten Spieltag in Hoffenheim.

"Es wird eine schwierige Woche, der Druck wird noch einmal größer. Jetzt hast du das Muss", sagte Pal Dardai. Viel, vor allem die Vergangenheit, spricht nicht unbedingt dafür. Hertha hat noch so ziemlich jedes entscheidende Spiel vergeigt. "Noch einmal zu Null spielen und vielleicht ein Tor selbst machen", sagte Dardai. Und wenn nicht, dann helfen vielleicht die anderen mit ihren Resultaten. Auf die war ja bis zuletzt immer irgendwie Verlass.

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