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Sport: Hertha BSC: Nach der Pionierarbeit

Nilson Maldaner, Herthas Dolmetscher für die beiden brasilianischen Spieler Marcelinho und Alex Alves, hat im Trainingslager in Kaprun Seltsames erlebt. Einmal kam Maldaner auf das Zimmer seiner beiden Landsleute, der Fernseher lief und Alex Alves verfolgte ganz gebannt die gerade ausgestrahlte Sendung.

Nilson Maldaner, Herthas Dolmetscher für die beiden brasilianischen Spieler Marcelinho und Alex Alves, hat im Trainingslager in Kaprun Seltsames erlebt. Einmal kam Maldaner auf das Zimmer seiner beiden Landsleute, der Fernseher lief und Alex Alves verfolgte ganz gebannt die gerade ausgestrahlte Sendung. Es war eine Sendung, mit deren Hilfe Ausländer die deutsche Sprache lernen sollen. Was Maldaner besonders überrascht hat: Alves saß nicht nur stumm vor dem Bildschirm, er sprach sogar die Übungen nach. "Das hat ihm Spaß gemacht", sagt Maldaner.

So etwas ist neu. Zeitweise sah es so aus, als wolle Alves in Berlin jegliche Anstrengungen unterlassen, die ihm ein angenehmeres Leben in der fremden Stadt ermöglicht hätten. Die unbekannte Sprache zu lernen, wäre vermutlich der erste und wichtigste Schritt gewesen. Doch Alves ließ sich Zeit. Inzwischen versteht er die Sprache seiner Kollegen, beginnt, an deren Konversation teilzunehmen, und "er fühlt sich wohl wie noch nie", sagt Dolmetscher Maldaner. Alves lacht, er grüßt die fremden Leute im Hotel. Das ist neu.

Die Veränderung hat vermutlich mehrere Gründe. Einer heißt Marcelinho, der sich im Trainingslager mit seinem Landsmann das Zimmer teilt. "Dass Alex das gut getan hat, ist auffällig", sagt Herthas Mannschaftskapitän Michael Preetz. Er findet jedoch, dass sich Marcelinho mit seiner Art "völlig von Alex abhebt. Alex ist ein sehr eigenwilliger Typ". Ganz anders als Marcelinho. "Der ist locker drauf", sagt Kostas Konstantinidis. Wenn Marcelinho beim Training an den zuschauenden Journalisten vorbeijoggt, wünscht er einen guten Morgen. "Marcelinho ist vielleicht ein bisschen einfacher", sagt Maldaner. Aber auch die Situation ist für ihn einfacher.

"Alex hatte die Pionierarbeit zu absolvieren", sagt Preetz. Er war alleine, hatte niemanden, mit dem er sich besprechen konnte. Preetz sagt zwar: "Du musst immer auch von deiner Seite bereit sein, auf die Leute zuzugehen." Diesen Eindruck erweckte Alves anfänglich nicht gerade. Doch "auf beiden Seiten sind Fehler gemacht worden", sagt Herthas Kapitän.

Auch Marcelinho hat eine unangenehme Auslandserfahrung hinter sich. Als er vom FC São Paulo zu Olympique Marseille wechselte, sah er sich bei seinem neuen Verein auf sich alleine gestellt. Marcelinho sprach kein Wort Französisch, es gab niemanden, der sich um ihn kümmerte. Niemanden, der ihm und seiner Frau bei den einfachsten Dingen des Alltags zur Seite gestanden hätte. Nach einem halben Jahr kehrte Marcelinho nach Brasilien zurück.

Vielleicht hat ihn diese Erfahrung in seinem Willen bestärkt, die zweite Chance unbedingt zu nutzen. Selbst das Trainingslager findet er toll. "Die Zeit geht so schnell vorbei", sagt er. Im Gegenzug erhält Marcelinho Lob und Anerkennung für seine fußballerischen Leistungen. "Alles, was er macht, hat Hand und Fuß", hat Trainer Jürgen Röber nach Marcelinhos erstem Einsatz für seinen neuen Verein gesagt. "Der läuft und läuft und läuft", was eher untypisch ist für einen Brasilianer. Auch Michael Preetz findet Marcelinhos "Spielweise ein Stück weit europäischer" als die von Alex Alves. Man könnte vielleicht sagen, dass Marcelinho in jeder Hinsicht mannschaftsdienlich denkt. Wenn er dann auch noch richtig deutsch lernt, könnte alles gut werden. Erste Versuche hat Marcelinho schon in Kaprun unternommen. Herthas Chefscout Rudi Wojtowicz war sein Lehrer: "Ich heiße Rudi. Wie heißt du?" - "Ich heiße Marcelinho", antwortete Marcelinho.

Maldaner weiß noch nicht, wann er wieder nach Brasilien zurückkehren kann, weil seine Dienste bei Hertha nicht mehr benötigt werden. "Das ist noch nicht abgesprochen", sagt er. "Aber es wird bestimmt nicht so lange dauern wie bei Alex Alves."

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