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Hertha BSC: Ohne Hätte, Wenn und Aber

Hertha BSC tritt auch in der Europa League auf der Stelle, weil das Tabellenende längst erreicht ist. Die Fans wenden sich ab – und Anti-Abstiegstrainer Funkel wird ernst.

Berlin - Das war sie plötzlich, die Hand, die Hoffnung verspricht. Die Hand, die vielleicht Halt schenkt, die womöglich die Wende hin zum Besseren weist? Es war die Hand eines holländischen Spielers, die im holländischen Strafraum zum Ball ging und einen Freistoßkick von Herthas Raffael blockte. Die reguläre Spielzeit war längst vorbei, aber hier hätte der zyprische Schiedsrichter Kapitanis doch pfeifen und auf Strafstoß entscheiden müssen, so hieß es bei den Berlinern. Vielleicht hätte Hertha so ein Tor an diesem tristen Oktoberabend erzielt – vielleicht, denn normal ist ja nichts mehr beim Berliner Bundesligisten.

Vielleicht war es aber ganz gut, dass der Pfiff, so berechtigt er gewesen wäre, ausblieb. Vermutlich hätte sich kein Spieler aus der verunsicherten Mannschaft gefunden, der sich auch noch diese Last aufgeladen hätte. Und wenn ja, wenn sich also doch irgendeiner im blau-weißen Trikot gefunden hätte: Wäre der Ball wirklich im Tor gelandet? Natürlich ist das eine hypothetische Frage, aber Fakt ist eben auch, dass derzeit bei Hertha nichts mehr ist, wie es eigentlich sein sollte. Die einzigen Konstanten, die der Klub seit Wochen aufweist, sind die vergebener Möglichkeiten und Niederlagen. Ganz gleich wie der Gegner heißt, ganz gleich wo gespielt wird – ob auswärts oder vor fast leeren Rängen im heimischen Olympiastadion wie am Donnerstagabend am dritten Spieltag der Europa League.

„Alles Hätte, Wenn und Aber nützt uns nichts“, sagte hinterher Friedhelm Funkel. Herthas neuer Krisentrainer legte eine beachtliche Sachlichkeit an den Tag. Aber dafür ist er schließlich auch geholt worden, als einer, der schon oft Mannschaften aus der Umklammerung der Abstiegsangst befreit und der in solchen kümmerlichen Lagen nicht den Überblick verloren hat, wie so einige beim Berliner Klub.

Ein Spiel wie das vom Donnerstag in einem Parallel-Wettbewerb zur Bundesliga hätte etwas Befreiendes bringen können. Gegen harmlose Holländer hätte Hertha etwas tun können für das Selbstvertrauen. Dieser Klub, der scheinbar nicht mehr gewinnen kann, hätte diese Ablenkung wirklich gebrauchen können vom tristen Alltag der Liga, wo acht Spiele in Serie zum Teil erbärmlich verloren gingen, wo es scheinbar kein Halten mehr gibt. Am Sonntag kommt Wolfsburg, der Meister, und es gibt nicht viel, was daraufhin deutet, dass es vielleicht dann die Wende geben kann.

Hertha hat die Chance in der Europa League ungenutzt gelassen. Sicher, die Spieler waren bemühter als sonst, der Klub besaß sogar eine latente Siegchance, doch nach der 0:1-Niederlage treten die Berliner auch in diesem Wettbewerb auf der Stelle, weil das Tabellenende längst erreicht ist.

Nein, das Spiel gegen Heerenveen bot wenig Anlass zur Hoffnung. Jubel kam nur auf, als der Stadionsprecher bekannt gab, dass Artur Wichniarek zur zweiten Halbzeit nicht mehr auf dem Rasen erscheinen wird. Und als Raffael eingewechselt wurde, kamen Pfiffe aus dem Rang. In den Augen der Fans hat der Brasilianer zwar riesiges fußballerisches Potenzial, nur leider ein klitzekleines Herz. Und als schließlich die Niederlage besiegelt war und die Mannschaft in die Kurve zu den verbliebenen Fans schritt, schallte ihnen der Gesang „Wir hab''n die Schnauze voll“ entgegen. Vieles deutet auf ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Mannschaft und Anhang hin.

Er könne seiner Mannschaft keinen großen Vorwurf machen, sagte Funkel anderntags. Sie habe über 90 Minuten versucht, „sich das Erfolgserlebnis zu holen, was sie braucht“. Funkel listete ein paar individuelle Fehler auf, wie etwa den von Nemanja Pejcinovic, der einen langen Flugball unterschätzte und so das Gegentor ermöglichte. Und ja, die „hundertprozentige Torchance“ hätte Cicero nutzen müssen. „Wenigstens hat die Mannschaft kapiert, dass es nur über den Kampf geht. Da gibt es nichts anderes“, sagte Funkel. „Wir dürfen nicht aufstecken“, man müsse weiterhin dort hingehen, wo Tore geschossen werden, nur so könne man das Glück zwingen und mit ihm den Erfolg zurückholen. „Glauben Sie mir, manchmal dauert es etwas länger, aber es kommt zurück.“

Friedhelm Funkel machte dabei ein ernstes Gesicht. Das will nicht viel heißen, denn den fast schon ewigen Anti-Abstiegs-Trainer Funkel gibt es gar nicht anders. Und doch sagte er, dass Berlin in seiner langen Laufbahn „die schwierigste Aufgabe“ sei, die er angehe. „Aber wir schrecken keinen Meter zurück.“ Am Sonntag werden die Spieler auflaufen, von denen er das Gefühl hat, dass sie sich gegen die schlimme Situation wehren wollen und können.

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