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Aus schick mach leger. Bei seiner Premiere als Cheftrainer am 7. Februar 2015 hatte sich Pal Dardai elegant gekleidet, heute tritt Hertha erneut in Mainz an. Mittlerweile bevorzugt der Trainer an Spieltagen allerdings Trainingsanzüge.

© Imago, Reuters

Hertha BSC: Pal Dardai: Mainz bleibt meins

Vor zweieinhalb Jahren debütierte Pal Dardai als Hertha-Trainer in Mainz. Die Berliner mauserten sich seitdem zum dauerhaften Überraschungsteam.

Das Outfit ist natürlich in Erinnerung geblieben. Gemessen an seinen heutigen modischen Standards hatte sich der junge Mann an diesem 7. Februar 2015 so fein gemacht, wie es – mit Verlaub – Praktikanten gern an ihrem ersten Tag machen. Er trug schicke, schwarze Halbschuhe, dazu dunkle Jeans, weißes Hemd, Pullover und eine der Jahreszeit angemessene Steppjacke. Konnte man auf jeden Fall so machen, ohne eine Intervention Karl Lagerfelds befürchten zu müssen, des erklärten Todfeindes der Jogginghose.

Andererseits war Pal Dardai, der heute an Trainings- und Spieltagen ausschließlich Trainingsanzug trägt, an diesem kühlen Samstagabend im Februar vor zweieinhalb Jahren ja im Grunde genau das: ein Trainer-Praktikant, erprobt nur im Nachwuchs, der mal bei den Profis reinschnuppern durfte. Der sich ein Bild davon machen sollte, ob das vielleicht etwas Dauerhaftes für ihn sein kann. Am Ende gewann Hertha  das erste Spiel unter Chefcoach Dardai mit 2:0, später hielt der Verein auch die Klasse und mauserte sich zu einem, nun ja, dauerhaften Überraschungsteam in der Fußball-Bundesliga. Wenn die Berliner heute beim FSV Mainz 05 antreten (15.30 Uhr, live bei Sky), sind die Europapokalplätze trotz eines anspruchsvollen Auftaktprogramms und Dreifach-Belastung schon wieder in Reichweite für den Europa-League-Teilnehmer – passenderweise genau an dem Ort, an dem das Narrativ von Hertha BSC und dem Profi-Trainer Dardai seinen Anfang nahm.

Dardai weiß mittlerweile die Breite seines Aufgebots zu schätzen

Mainz ist also naturgemäß eine besondere Auswärtsreise für den ungarischen Rekordspieler, der am Mittwochabend beim 2:1-Heimsieg gegen Bayer Leverkusen sein 100. Spiel als Hertha-Trainer bestritt, stets verbunden mit besonderen Erinnerungen – und zugleich Sinnbild positiver Tendenzen in den letzten zwei Jahren. „Bei uns ist seitdem wirklich eine Menge passiert. Wir haben die Mannschaft weiterentwickelt, die Basis zusammengehalten und sind Stück für Stück gewachsen“, sagt Michael Preetz. „Das gilt auch für Pal Dardai, der nach 100 Spielen ein viel größeres Portfolio hat als zu Beginn und trotzdem immer noch ein junger Trainer ist“, ergänzt der Manager.

Dardai selbst gibt das Lob gewohnt bodenständig zurück. „Das ist nicht nur meine Arbeit. Der Manager hat jedes Jahr gute Spieler für mich geholt“, betont der Coach, „es ist im Moment einfach eine schöne Zeit, der Charakter meiner Mannschaft gefällt mir, ich genieße das total.“ Vor allem weiß Dardai mittlerweile die Breite seines Aufgebots zu schätzen, das den Anforderungen einer Europapokal-Saison den ersten Eindrücken zu Folge zu genügen scheint. Wie fleißig sie im Verein Personal getauscht haben, zeigt auch ein Blick auf die Torschützen bei Dardais Premieren-Spiel in Mainz: Damals trafen Jens Hegeler per Elfmeter und ein gewisser Roy Beerens – beide sind längst wieder weitergezogen, gefolgt von vielen anderen.

Dafür ist den Berlinern in einem anderen Bereich große Kontinuität zu attestieren, Stichwort: Einstellung. Seit seinem Amtsantritt mag Hertha ein paar Spiele unter Dardai verloren oder nicht gewonnen haben, auseinandergebrochen oder vorgeführt worden ist die Mannschaft in diesem Zeitraum aber so gut wie nie – keine Selbstverständlichkeit, wie Preetz findet. „Man macht manchmal den Fehler zu glauben, alles was im Fußball zur Basis gehört, müsste auch in jedem Spiel da sein“, sagt der Manager, „aber genau das ist die hohe Kunst: von Spiel zu Spiel immer wieder hundertprozentige Bereitschaft und Leidenschaft auf den Platz zu kriegen.“ Wenn diese Parameter erfüllt sind, wird es gegen Hertha selbst für nominell besser besetzte Mannschaften schwierig, wie im Heimspiel gegen Leverkusen zu sehen war. „Am ehesten lässt sich das daran festmachen kann, wie Pal selbst gespielt hat“, sagt Preetz. Man könnte auch sagen: Hertha BSC ist im Herbst 2017 ein Abbild des Fußballers Dardai, der vielleicht nie das größte Talent besaß, dafür aber enorm laufstark, fleißig und unangenehm war, ein echter Teamplayer.

Vor allem hat sich Hertha unter der Verantwortung des Ungarn im Offensivbereich gesteigert. Wer früher ins Olympiastadion ging, musste sich phasenweise Mühe bei der Identifikation der Sportart geben, jetzt verfolgt das Team einen klaren Plan, jeder kennt seine Aufgabe. „Ordnung, Grundordnung, Leidenschaft“, sagt Preetz, „das passt bei uns.“

Dass sich Dardai in seiner dritten vollen Saison als Profi-Trainer nicht mehr so um modische Belange kümmert wie bei seiner Premiere – geschenkt. Wie sagte schon der große deutsche Theken-Philosoph und bekennende HSV-Fan Dittsche: Auch eine Jogginanzughose ist, ganz genau, eine Anzughose.

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