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Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Herthas Trainer Pal Dardai hält seine Mannschaft noch für zu ängstlich.

© Imago/König

Hertha BSC und der gute Saisonstart: Wo bitte geht’s zum Selbstvertrauen?

Hertha BSC ist erfolgreich in die Saison gestartet, doch beim Berliner Bundesligisten haben sie die Vorsaison immer noch im Kopf.

Fußballtrainer müssen immer auch ein bisschen Schauspieler sein. Pal Dardai hat seine Rolle längst gefunden. Der Cheftrainer von Hertha BSC inszeniert sich am liebsten als Mann des Bauches. Nach dem 2:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart hat er ein wenig Aufklärung geleistet, nach welchen Kriterien er seine Mannschaft aufstellt. Gegen den VfB war überraschend Genki Haraguchi in der Startelf aufgetaucht, der gerade eine schlauchende Dienstreise mit der japanischen Nationalmannschaft hinter sich hatte. Dardai aber hatte am Freitag beobachtet, dass sich der Japaner nach dem Abschlusstraining noch in die hinterste Ecke des Trainingsplatzes zurückgezogen hatte, um dort den Sprinthügel rauf- und runterzulaufen. „Da habe ich gesagt: Der spielt morgen“, berichtete Dardai.

Auf seinen Bauch kann sich der Ungar eben verlassen. Haraguchi erzielte das 1:0 gegen den VfB. Aber manchmal muss man auch kühl und allein vom Verstand geleitet entscheiden. So war es kurz vor der Pause: Die Stuttgarter hatten nach und nach die Kontrolle über das Spiel erlangt, sie waren zum Ausgleich gekommen, drängten sogar auf die Führung – da wechselte Dardai mit Vedad Ibisevic einen zweiten Stürmer ein. Herthas Trainer schätzt den Bosnier für seine Präsenz, aber nach gerade vier Trainingseinheiten mit der neuen Mannschaft durfte man noch keine Überdinge von Ibisevic erwarten. Dessen Einwechslung hatte eher psychologische als taktische Gründe. „Natürlich ist das ein Signal an die Mannschaft: Wir wollen offensiv spielen“, sagte Dardai.

Herthas Mannschaft braucht diese Signale von außen offenbar immer noch. Die Berliner haben mit sieben Punkten aus vier Spielen einen erfolgreichen Start in die neue Saison erwischt und allein beim Tabellenführer Borussia Dortmund verloren. Aber in der letzten Gehirnwindung ist die Botschaft von der eigenen Stärke noch nicht angekommen. Im Gegenteil: Die vergangene Saison, in der die Mannschaft nur mit Mühe den Abstieg aus der Fußball-Bundesliga verhindert hat, wirkt immer noch nach. „Das ist schon ein wenig eine Krankheit“, sagte Dardai.

Abgesehen vom Spiel in Dortmund lief es für bisher gut in dieser Saison

Hertha kann sich über den bisherigen Saisonverlauf eigentlich nicht beklagen. Bis auf die Partie in Dortmund sind eigentlich alle Spiele so verlaufen, wie man sich das wünscht: Die Berliner sind sowohl in Augsburg als auch zu Hause gegen Bremen und Stuttgart jeweils in Führung gegangen. Das gibt normalerweise Sicherheit und Selbstvertrauen. „Nach einem 1:0 musst du Spaß haben“, sagte Dardai. Nur für Hertha trifft das bisher nicht zu. „Komischerweise hat uns das 1:0 wieder nicht in die Karten gespielt“, klagte Innenverteidiger Sebastian Langkamp.

Eine Viertelstunde hatte Hertha die Stuttgarter gut im Griff; die Mannschaft hielt den VfB weit weg vom eigenen Tor, befreite sich geschickt aus dessen Pressing. „In Sachen Ballbesitz und Fußballspielen haben wir uns deutlich verbessert“, sagte Kapitän Fabian Lustenberger. Nach dem 1:0 aber verfiel Hertha in die alte Verteidigungshaltung. „Das steckt ein bisschen im Kopf drin, dass wir uns zurückziehen und abwarten – das ist falsch“, sagte Lustenberger. „Ich weiß nicht, woran es liegt. Vielleicht kriegen wir ein bisschen Angst.“ Dardai erkennt im Verhalten seiner Spieler „schlechte Automatismen“. Die Mannschaft spiele keinen Fußball mehr, wolle nur noch verteidigen und mache instinktiv einen Schritt nach hinten. „Das ist immer noch das letzte Jahr“, sagte Dardai. „Ich muss das rauskriegen.“

Ibisevics Einwechslung war ein eher subtiles Signal; in der Pause justierte Dardai die Mannschaft neu, ließ sie höher verteidigen. „Selbst wenn du defensiv bist, kannst du agieren, kannst du den Gegner lenken“, sagte er. Nach der Pause gelang das deutlich besser als in der ersten Hälfte. Der VfB kam kaum noch hinter Herthas letzte Linie, stattdessen verzettelte er sich irgendwo im Mittelfeld.

Dardai erklärte das 2:1 gegen die Stuttgarter später sogar zum wichtigsten Sieg seiner Amtszeit – weil er das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten weiter zu stärken vermag; weil er zeigt, dass die Ideen des Trainers greifen. „Du kannst viel erzählen, aber am Ende helfen nur Siege“, sagte Dardai. Der Fortschritt macht sich auch in der Tabelle bemerkbar, die Hertha aktuell auf Platz sieben ausweist. Auch das kann psychologisch hilfreich sein, nachdem die Mannschaft vor der Saison vor allem als Abstiegskandidat gehandelt worden war. Vielleicht habe sich das in den Köpfen festgesetzt, mutmaßte Dardai. Auch deshalb hofft er, „dass wir uns da oben stabilisieren“. Aber nicht nur deshalb.

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