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Antreiber. Helmut Schön war damals in Berlin Spielertrainer.

© Werner Baum/dpa

Hertha BSC wird 125: Als Helmut Schön Berliner wurde

Wie sich der Dresdner SC mit dem großen Stürmer Helmut Schön 1950 Hertha BSC anschloss - und warum das Ganze nicht funktionierte.

Sein bestes Spiel für Hertha hat er in Reinickendorf gemacht. Auf dem Platz von Wacker 04, dorthin hatte Hertha nach dem Krieg ausweichen müssen, weil das Stadion am Gesundbrunnen mit den mystischen Stehplatztribünen Uhren- und Zauberberg noch in Trümmern lag. Damals, als Helmut Schön für Hertha BSC stürmte.

Hertha spielte also am Wackerweg, der in jenen Tagen noch Birkenstraße hieß. Das heißt: Eigentlich spielte dort der mit zwei Berlinern ergänzte Dresdner SC, dessen Spieler sich im Juni 1950 nahezu komplett am Gesundbrunnen angemeldet hatten, angeführt vom großen Helmut Schön. Der stand vor seinem 34. Geburtstag, das Knie war arg lädiert, aber an diesem 1. Oktober 1950 zeigte Schön noch einmal, warum er in 16 Länderspielen 17 Tore erzielt und mit dem Dresdner SC zweimal die deutsche Meisterschaft gewonnen hatte. Der lange Mann mit dem lichten Haar war als halbrechter Stürmer der beste Mann auf dem Platz und harmonierte perfekt mit seinem Dresdner Spezi Kurt Lehmann. Am Ende siegte Hertha 5:0 über den SC Südring und träumte wieder von den großen Zeiten, die der Spielertrainer Schön zurückbringen sollte.

Hertha spielte in den ersten Nachkriegsjahren keine Rolle im Berliner Fußball und rang um Anschluss an die führenden Klubs wie Tennis Borussia oder den BSV 92. 1943 und 1944 hatten die Sachsen im Berliner Olympiastadion das Finale um die deutsche Meisterschaft für sich entschieden, aber danach war erstmal Schluss. In der sowjetischen Zone hatte der als bürgerlich verschriene DSC keine Freunde. Die erste DDR-Meisterschaft mussten die Dresdner unter dem Namen SG Friedrichstadt im April 1950 den Betriebssportlern von Horch Zwickau überlassen. Ob die Staatsführung im entscheidenden Spiel den Schiedsrichter zur Einseitigkeit genötigt hatte, lässt sich heute nicht mehr genau klären.

Jedenfalls nahmen die Dresdner die Tumulte rund um das 1:5 gegen Zwickau als willkommenen Anlass, sich nach West-Berlin abzusetzen. Dieser Umzug war allerdings kein spontaner Entschluss, sondern lange geplant, übrigens mit Hilfe von Ignatz Bubis. Der spätere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte geschäftlich in Dresden zu tun und verfügte über einen Bus, den er für den Umzug zur Verfügung stellte.

Die Stimmung war eisig, und auch sportlich hielt der neue Klub nicht, was die Namen versprachen

Helmut Schön machte sich als erster auf den Weg. Der Tagesspiegel-Reporter Eberhard Wittig traf ihn zufällig bei einem Spiel im Olympiastadion. „Mensch Schön, Sie hier?“ – Psst! Es darf noch keiner wissen. Schreiben Sie bloß nichts!“ Nach und nach trudelte fast die gesamte Mannschaft ein, insgesamt elf Spieler, von Torhüter Kurt Birkner über den Mittelfeldmann Hansi Kreische bis zu Torjäger Kurt Lehmann. Schön hatte seit Jahren ein freundschaftliches Verhältnis zur Berliner Klub-Legende Hanne Sobek gepflegt. Dessen Sohn Bernd erinnert sich noch heute daran, „dass Helmut Schön in dieser Zeit sehr oft bei uns zu Hause war“.

Der Berliner Fußball-Verband VBB organisierte am 7. Juni ein Benefizspiel für die Dresdner, die zwei Tage später offiziell ihre Liaison mit Hertha bekanntgaben. Zunächst gingen wohl beide Klubs mit besten Absichten in die neue Verbindung. In der „Fußball-Woche“ war zu lesen: „Hertha BSC und der Dresdner SC schrieben, jeder für sich und zu verschiedenen Zeiten, ein Stück deutscher Fußballgeschichte. Die besondere Konstellation im zerrissenen Nachkriegsdeutschland hat sie zusammengeführt, und so ist es als ein Akt der gegenseitigen Achtung zu bezeichnen, daß auch auf den Jerseys der Spieler jetzt beide Vereinswappen prangen.“ Im Alltag ging es weniger harmonisch zu, was wohl auch daran lag, dass die Dresdner Bereitschaft zur Integration recht gering ausgeprägt war. Schon in einem ersten Testspiel untereinander machten sie sich einen Spaß daraus, die Berliner Kollegen vorzuführen. In Punktspielen stellte der Spielertrainer Helmut Schön oft neun Dresdner auf.

Die Stimmung war eisig, und auch sportlich hielt der neue Klub nicht, was die Namen versprachen. Als Hertha die Saison mit großen Abstand auf Union und Tennis Borussia als Dritter beendete, waren die meisten Dresdner schon wieder weg. Schön machte im Februar 1951 beim 1:1 gegen den BSV 92 seine letztes Spiel und ging als Trainer nach Wiesbaden. Die meisten anderen zogen weiter nach Heidelberg, allein Torhüter Birkner und Stürmer Lehmann blieben bei Hertha.

Helmut Schön wurde 24 Jahre später als Bundestrainer Weltmeister. In seinen Memoiren hat er selbstkritisch angemerkt, es gehöre zu seinen großen Enttäuschungen, dass es ihm in Berlin nicht gelungen sei, aus zwei großen Namen eine große Mannschaft zu machen: „Man kann einen Fußballverein nicht verpflanzen, er ist etwas Bodenständiges.“

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