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Hertha BSC 1964

© imago/Werner Otto

Hertha BSC wird 125: Uwe Klimaschefski: „Wolfgang Holst hat sich bei mir im Bad versteckt“

Uwe Klimaschefski war beim ersten Bundesligaspiel von Hertha BSC 1963 dabei. Im Interview spricht der 78-Jährige über kuriose Verhandlungen, Auswärtsfahrten durch die DDR und den Zwangsabstieg.

Hertha BSC wird 125 Jahre alt. Hier erzählen ehemalige Profis von ihren Erfahrungen und Erlebnissen bei Hertha BSC. Jeden Tag ist ein Spieler aus einem Jahrzehnt dran – angefangen bei den 1960er Jahren bis hin zu den 2010ern. Heute Teil eins: Die 1960er Jahre.

Herr Klimaschefski, Sie waren 1963 beim allerersten Bundesligaspieltag für Hertha dabei. Wie war die Stimmung damals?

Da war bei allen eine sehr große Aufregung spürbar. Vor so vielen Zuschauern hatte ich noch nie gespielt und das ging vielen Spielern so. In Leverkusen war es ja schon viel, wenn 15 000 kamen. Und jetzt waren im Olympiastadion 55.000 bis 60.000 Leute. Ich erinnere mich noch genau, dass es ein affenheißer Tag war. Früher haben die Ärzte immer gesagt, wir sollen kein Wasser trinken, weil das den Kreislauf noch zusätzlich belastet. Heute schmeißen sie die Flaschen ja schon während des Spiels rein. In der Halbzeit sind wir mit drei Mann in den Duschraum gegangen. Wir haben so getan, als ob wir uns nur abkühlen, haben dann aber den Kopf umgedreht und das Wasser reinlaufen lassen.

Und das hat niemand mitbekommen?

Der Trainer hat kurz reingeschaut und gefragt, was wir da machen. Gemerkt hat er aber nichts. Und es hat uns auch nicht geschadet, gegen Nürnberg haben wir 1:1 gespielt, obwohl die der klare Favorit waren.

Über Ihren Wechsel von Leverkusen zu Hertha kursieren interessante Geschichten. Schildern Sie doch mal, wie die Verhandlungen 1963 abliefen.

Leverkusen kam zum Start leider nicht in die Bundesliga rein. Nach einem Vorbereitungsspiel gegen die bulgarische Nationalmannschaft habe ich einen Anruf bekommen, ob ich nicht zu Hertha wechseln möchte. Ich hatte auch schon ein Angebot aus Saarbrücken, da arbeitete ein Trainer, den ich noch aus meiner Heimatstadt Bremerhaven kannte. Wolfgang Holst von Hertha besuchte mich dann in Leverkusen und plötzlich klingelte einer von Saarbrücken an der Tür. Ich wusste gar nicht, dass der am selben Tag vorbeikommen wollte.

Uwe Klimaschefski, 78, spielte von 1963 bis 1965 für Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga. Anfang der achtziger Jahre kehrte er noch einmal als Trainer nach Berlin zurück.
Uwe Klimaschefski, 78, spielte von 1963 bis 1965 für Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga. Anfang der achtziger Jahre kehrte er noch einmal als Trainer nach Berlin zurück.

© dpa/lrs

Und dann haben Sie einfach mit beiden zusammen verhandelt?

Nein, ich hab Wolfgang Holst ins Bad geschickt, da hat er sich versteckt. Als ich dem Saarbrücker in der Stube gerade erklärte, dass ich mich schon anderweitig entschieden hatte, krachte es im Bad.

Was war passiert?

Wolfgang Holst hatte sich mit seinem Riesengewicht auf die geschlossene Toilette gesetzt und der Plastikklodeckel ist zerbrochen. Das klang, als wäre etwas ziemlich Großes umgekippt. Ich habe den Saarbrücker dann ziemlich schnell abgewimmelt. Hertha und ich waren uns da schon einig geworden.

Was hat für Berlin gesprochen?

Die Voraussetzungen, das große Stadion, von Geld war damals gar nicht so die Rede. Damals durften die Spieler ja nicht mehr als 1750 Mark zuzüglich Prämien verdienen. Da konnte nicht jeder so einfach einkaufen und Millionengehälter zahlen. Deshalb war es in der Bundesliga gang und gäbe, den neuen Spielern Handgelder zu zahlen. Das war bei mir natürlich auch so und 1965 mussten wir wegen der Handgelder absteigen, obwohl wir die Klasse sportlich gehalten hatten. Da hätte der DFB eigentlich noch andere Vereine bestrafen müssen.

Berlin war durch die Mauer isoliert. Wie muss man sich die Auswärtsfahrten vorstellen?

Wir sind fast immer von Tempelhof geflogen. Das war immer unproblematisch. Zu manchen Spielen sind wir aber mit dem Bus gefahren, zum Beispiel nach Braunschweig. Das ging schneller als erst nach Hannover zu fliegen und dann zurückzufahren, konnte aber auch mal knifflig werden. Bei uns wurde an der Grenze viel schärfer kontrolliert. Die haben gewusst, da kommt der Bus von Hertha BSC. Da standen die Zöllner dann parat und haben zuerst die Pässe kontrolliert.

Wie wurden Sie als Fußballprofis aus dem Westen da behandelt?

Manche waren ganz nett und haben sich auf dem Rückweg gefreut, wenn wir gewonnen haben. Manchmal haben die uns aber auch eine ganze Weile stehen lassen und erst mal die Pkw abgefertigt. Deshalb sind wir immer einen Tag früher angereist. Das wäre sonst viel zu riskant gewesen. Wir können ja nicht ein Bundesligaspiel verpassen, weil wir in der Grenzkontrolle feststecken.

Mein alter Spezi Otto Rehhagel musste bei Hertha bleiben

Hertha BSC 1964
Hertha BSC 1964

© imago/Werner Otto

Sie haben den Klassenerhalt 1964 knapp geschafft. Wolfgang Holst soll am vorletzten Spieltag einen Spieler von 1860 München bestochen haben. War das Thema in der Mannschaft?

Erstens wussten wir davon gar nichts und zweitens war da, glaube ich, auch gar nichts dran. Das soll der Mittelläufer Alfons Stemmer gewesen sein. Der hatte bei einem Tor eine unglückliche Figur abgegeben und da wurde dann gesagt, der hätte das mit Absicht gemacht. Uns hat aber keiner gesagt: „Jetzt lauft mal auf den Stemmer zu, der lässt euch vorbei.“

1965 war die Mannschaft nach Saisonende noch in Mittelamerika, als die Nachricht vom Zwangsabstieg kam. Wie haben Sie davon erfahren?

Ein österreichischer Spielvermittler hatte die Reise schon lange vorher abgemacht. Wir waren in Mexiko und noch einem Land, ich glaube, es war El Salvador. Das war für uns ein großes Erlebnis. Wer war vorher schon in Amerika? Wir wussten, dass ein Prozess gegen Hertha lief wegen der Handgelder und wollten natürlich wissen, was passiert. Damals gab es aber noch keine Handys und Internet. Das Einzige, was wir machen konnten, war, abends zur Rezeption zu gehen und zu fragen, ob wir mal in Deutschland anrufen können.

Wen haben Sie denn angerufen? Den DFB?

Nein, ich hatte meiner Frau gesagt, sie soll verfolgen, wie der DFB entscheidet. Beim Zwangsabstieg musste ich schließlich auch überlegen, ob ich bleibe oder den Verein wechsle. Wir haben dann mitbekommen, dass wir runter müssen und Tasmania aufrückt. Das war ein Politikum, dass immer eine Mannschaft aus West-Berlin in der Bundesliga spielen sollte.

War es für Sie auch denkbar, trotz des Abstiegs in Berlin zu bleiben?

Darüber konnte ich mir eigentlich gar keine Gedanken machen. Ich bin mit Helmut Faeder und Wolfgang Fahrian drei Tage früher als der Rest der Mannschaft zurückgeflogen. Als wir in Frankfurt ankamen, um da in die Pan Am nach Berlin umzusteigen, mussten wir unsere Ausweise vorzeigen. Da sagte der Mann an der Passkontrolle zu mir: „Oh Herr Klimaschefski, sie gehen nach Kaiserslautern.“ Ich wusste davon nichts. Da holte er eine Sportzeitung heraus und zeigte mir den Bericht.

Wie kam die Zeitung denn darauf?

Das wollte ich auch gerne wissen. Deshalb habe ich sofort meine Frau angerufen und gefragt, ob sie mit irgendjemandem aus Kaiserslautern geredet hat. Hatte sie aber nicht. Es gab damals nur einen Spielervermittler in Deutschland, den Raymond Schwab aus Essen und der war ziemlich bekannt. Also hab ich bei Schwab angerufen und der sagte mir, dass Kaiserslautern interessiert sei. Das ging dann ganz schnell.

Haben Ihre Mitspieler auch so schnell einen neuen Verein gefunden?

Ein paar andere Spieler konnten auch wechseln. Mein alter Spezi Otto Rehhagel musste aber erst mal bei Hertha bleiben und hat dann in der Regionalliga gegen Zehlendorf und so gespielt. Der rief mich immer an und fragte: „Mensch Uwe, kann ich nicht zu dir kommen?“ Aber ich war ja nicht der Präsident, das war nun wirklich nicht meine Entscheidung. Mit einem Jahr Abstand hat es dann doch noch geklappt und Otto wechselte auch nach Kaiserslautern.

Das Gespräch führte Julian Graeber.

Uwe Klimaschefski, 78, spielte von 1963 bis 1965 für Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga. Anfang der achtziger Jahre kehrte er noch einmal als Trainer nach Berlin zurück.

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