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Traurig im Abgang. In Dortmund kassierte Hertha BSC die dritte Niederlage am Stück. Trotzdem sehen die Berliner noch keinen Grund, in Panik zu verfallen.

© dpa

Hertha BSC zurück im Abstiegskampf: Mit Gelassenheit gegen das Endspiel

Herthas Vorsprung auf die Abstiegszone ist zwar von acht auf drei Punkte geschrumpft, doch der Verein bemüht sich vor den letzten beiden Saisonspielen um größtmögliche Gelassenheit - um einem Alles-oder-nichts-Spiel zu entgehen.

John Anthony Brooks humpelte dem Ausgang des Dortmunder Stadions entgegen. Der Verteidiger von Hertha BSC war im Spiel bei Borussia Dortmund Mitte der zweiten Halbzeit ausgewechselt worden; Hüftprellung lautete die erste Diagnose, und am Tag danach berichtete Trainer Pal Dardai, dass es fürs nächste Wochenende eng werden könnte. Als der humpelnde Brooks selbst am Samstag gefragt worden war, wie es ihm gehe, hatte er nur geantwortet: „Gut.“ Und war weitergehumpelt.

So ist das im Moment bei Hertha BSC. Die Binnensicht stimmt nicht unbedingt mit der Sicht von außen überein. Von außen sieht es so aus: Hertha hat nun fünf Spiele hintereinander nicht gewonnen, die jüngsten drei Spiele endeten mit Niederlagen, sodass der vor Kurzem noch komfortable Vorsprung auf die Abstiegszone von acht auf drei Punkte geschrumpft ist. Vor allem die Fans des Berliner Fußball-Bundesligisten betrachten diese Entwicklung mit gewisser Sorge.

Von innen stellt sich die Situation offensichtlich ganz anders dar. „Ich bleibe entspannt“, sagte Pal Dardai am Morgen nach der 0:2-Niederlage bei Borussia Dortmund. „Alle anderen müssen zittern und beten.“ Hertha hingegen, so die interne Sprachregelung, hat alles in eigener Hand. Ein Sieg aus den beiden verbleibenden Spielen zu Hause gegen Eintracht Frankfurt und in Sinsheim gegen die TSG Hoffenheim würde zum Klassenerhalt reichen.Gemessen an Dardais Ausgangslage bei seinem Amtsantritt vor drei Monaten ist das immer noch eine komfortable Situation. Damals habe er „geglaubt, dass es bis zum letzten Spieltag geht“. Von daher besteht aus Herthas Sicht kein Grund zu verschärfter Panik: „Der Plan bis jetzt läuft“, sagt Dardai. „Mit einem Sieg nächste Woche können wir den Deckel draufmachen.“

Plötzlich hat Hertha BSC nur noch zwei Matchbälle

Trotzdem: Hertha hat sich durch die ausgebliebenen Erfolge in eine Situation gebracht, die psychologisch durchaus anspruchsvoll ist. Vor fünf Wochen, nach dem Heimsieg gegen Paderborn, schien der Klassenerhalt so gut wie sicher; jetzt soll die Mannschaft plötzlich wieder umschalten in den Abstiegskampfmodus. Pal Dardai hat nach der Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach gesagt: „Wir hatten vier Matchbälle, jetzt haben wir noch drei.“ Eine Woche später, nach der Niederlage gegen Borussia Dortmund, sind es nur noch zwei – und was passiert, falls Hertha am Samstag gegen Frankfurt einen weiteren vergibt und in Sinsheim vor einem Alles-oder-nichts-Spiel stehen sollte, das wollen sich die Anhänger des Vereins lieber nicht ausmalen.

Ist es nicht gefährlich zu denken: Wenn wir es diese Woche nicht schaffen, schaffen wir es halt in der nächsten? Müsste Dardai den Druck nicht auch von innen heraus erhöhen, jetzt schnellstens alles klarzumachen, anstatt die Rettung immer wieder auf die nächste Woche zu verschieben? „Ich werde nicht sagen: Ihr müsst unbedingt“, entgegnet Herthas Trainer. „Das wissen die Spieler.“

Die Frage ist, wie sie damit zurechtkommen. Dardai hat in der vergangenen Woche darüber geklagt, dass seine Spieler im Training mental müde gewirkt hätten. Der Auftritt in Dortmund hat diesen Eindruck bestätigt. „Wir hatten gar nix verdient“, sagt der Ungar. Einen richtig schrecklichen Tag habe seine Mannschaft gegen den BVB erwischt, so wie er bei jedem Team zwei Mal pro Saison vorkomme. Nach Dardais Rechnung ist diese Quote mit den Spielen zu Hause gegen Freiburg und in Dortmund nun erreicht. Dann kann ja jetzt nichts mehr schiefgehen.

Am Tag nach der Niederlage gegen den BVB hat Dardai seiner Mannschaft eine verschärfte Laufeinheit verordnet, auch den Spielern, die in Dortmund auf dem Feld gestanden hatten. „Wir haben uns den Frust rausgelaufen, den Körper einmal gereinigt“, sagte er. In den Augen seiner Spieler will er gesehen haben: „Sie spüren schon, was sie machen müssen.“ Eine uninspirierte Woche wie die vergangene werde es nicht noch einmal geben.

Der Trend zeigt nach unten

Es ist einerseits verständlich, dass sie bei Hertha um größtmögliche Gelassenheit bemüht sind. „Keine Hektik“, sagt Dardai. Die Situation ist dramatisch genug, da muss man sie nicht noch weiter dramatisieren. „Wenn wir uns zu sehr damit beschäftigen, wird es noch schwieriger“, sagt Nico Schulz. Andererseits wirkt der Optimismus ein wenig blauäugig. Der Trend bei Hertha zeigt nach unten, während die Konkurrenz, mal mehr, mal weniger heftig, von hinten Druck aufbaut. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die anderen immer verlieren“, mahnt Schulz. An den jüngsten drei Spieltagen, an denen Hertha leer ausgegangen ist, machten Hannover und Freiburg je zwei Punkte gut, Stuttgart und Paderborn je vier und der HSV sogar sieben.

„Auf die anderen schauen wir nicht. Wir rechnen nicht“, sagt Linksverteidiger Marvin Plattenhardt, um gleich darauf zu verkünden: „Die anderen nehmen sich noch gegenseitig die Punkte weg.“ In der Theorie hat Hertha das leichteste Restprogramm. Für Frankfurt geht es schon jetzt um nichts mehr, für Hoffenheim am letzten Spieltag vermutlich auch nicht mehr. „Da musst du hart sein, aggressiv sein und im richtigen Moment auch klug“, sagt Dardai. Und auch wenn er sich mit dem größten anzunehmenden Unfall am liebsten gar nicht beschäftigen würde: „Wenn du es aus zwei Spielen nicht schaffst, drei Punkte zu holen, bist du selbst schuld.“

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