zum Hauptinhalt

Sport: Hertha BSC: Zwei Mann, eine Hoffnung

Gestern trafen sie sich noch nicht in der Spandauer Rehabilitationsklinik. In den nächsten Wochen wird das aber öfter der Fall sein.

Gestern trafen sie sich noch nicht in der Spandauer Rehabilitationsklinik. In den nächsten Wochen wird das aber öfter der Fall sein. Der eine, Sebastian Deisler, kehrt dorthin zurück, wo er gerade monatelang Stammgast war und eigentlich nicht mehr erscheinen wollte. Der andere, Marko Rehmer, ist dort seit Wochen Patient. Beide, Kicker bei Hertha BSC, haben ein großes Ziel: Japan und Sükorea, die Fußball-Weltmeisterschaft.

Zum Thema Fotostrecke: Bilder der Saison 01/02 Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Deisler hat in den Jahren seiner noch gar nicht so langen Karriere schon öfter Kliniken aufsuchen müssen, als das so mancher Normalbürger während seines ganzen Lebens tut. Leistenverletzung, Kreuzbandriss, Meniskusblessur, Kreislaufkollaps - der heute 22-Jährige machte alles durch. Am Donnerstag erlitt er einen Muskelfaserriss, muss damit seit seinem Hertha-Debüt im Juni 1999 bereits zum 16. Mal wegen einer Verletzung pausieren. Statt endlich, nach gerade über fünf Monaten verletzungsbedingter Zwangspause, wieder gegen den Ball zu treten, heißt es erst einmal Ruhe.

Wann er wieder seinem Beruf nachgehen kann, ist ungewiss. Ulrich Schleicher, Herthas Mannschaftsarzt und in jener Spandauer Rehaklinik praktizierend, glaubt, dass der Muskelfaserriss "in drei bis vier Wochen ausgeheilt ist". Auf Deislers Internet-Seite ist von fünf bis sechs Wochen die Rede. Was nicht heißt, dass er dann schon wieder spielen kann. Das wird er in dieser Saison für Hertha wohl nicht mehr.

Es bleibt die Frage, ob Deisler eine so anfällige Körpersubstanz hat, dass er immer wieder aus der Bahn geworfen wird. Als Mediziner möchte sich Schleicher dazu nicht äußern. Er sieht eher die psychologische Komponente: "Der Junge ist doch nicht vom Kopf her frei. Er muss erst einmal wieder zu sich kommen." Fans und Medien hätten eine Mitschuld, dass ihm das bislang nicht gelungen sei. Die Fans, weil sie ihn zuletzt bei jeder Ballberührung auspfiffen und mit Schmährufen bedachten, die Medien, weil sie ihn unter Druck setzen, ihn möglichst bald und möglichst gut spielen sehen wollen. Schleicher: "So etwas verunsichert und sorgt für Übermotivation. Beides ist für einen Leistungssportler schlecht." Aber sollte Deisler nicht inzwischen so abgeklärt und so cool sei, dass ihm die Dinge von außen nichts mehr anhaben können?

Dem psychischen Druck wird Deisler nun wohl nicht mehr ausgesetzt sein, wird er doch bis zum 4. Mai, dem Ende der Saison, das Hertha-Trikot kaum noch überstreifen. Kommt er bis zur WM wieder auf die Beine? "Wir sehen seine WM-Teilnahme derzeit nicht als gefährdet an", erklärte Bundestrainer Michael Skibbe. Er und Völler planen mit ihm weiter als Spielmacher. Dann wäre er wieder da, der Druck. Anders als zuletzt bei Hertha, aber doch belastend. Sebastian Deisler hat schwere Wochen vor sich.

Marko Rehmer hat sie gerade hinter sich. Am 2. März, zehn Tage, bevor Deisler wieder ins Mannschaftstraining einstieg, sprang ihm der Kölner Christian Springer so brutal von hinten in die Knochen, dass sein Berater Jörg Neubauer von "vorsätzlicher Körperverletzung" sprach. Doppelter Bänderriss, das dritte Band überdehnt, die Kapsel aufgerissen - ein Fiasko für einen, der das WM-Ziel vor Augen hat. Erst spät nahm Rehmer die Entschuldigung Springers an, "und auch dann nur schweren Herzens".

Nach der Operation trug er drei Wochen Gips. Von Montag bis Samstag quält er sich täglich fünf Stunden in der Rehaklinik, manchmal gibt es noch Behandlungen in den eigenen vier Wänden. Inzwischen kommt die Kraft wieder, auf dem Laufband trainiert er auch, das Joggen klappt noch nicht: "Da habe ich noch Beschwerden." Dennoch spricht Rehmer schon von seinem nächsten Einsatz. Am 27. April will er mit Hertha gegen Schalke 04 spielen. Zwei Tage später wird Rehmer, der derzeit um eine Vertragsverlängerung ringt, 30 Jahre alt.

Und die WM? "Meine Chancen stehen sehr gut", glaubt Rehmer. Völler hat er das schon gesagt. Noch nicht, als ihn der Teamchef nach der Operation im München-Bogenhausener Krankenhaus besuchte. Aber kürzlich in Rostock, als sich beide trafen.

Rehmer ist psychisch gut drauf. Anders als Deisler.

Klaus Rocca

Zur Startseite