zum Hauptinhalt

Hertha BSC: Zweifel an der Rochade

Herthas Opposition sieht Werner Gegenbauers Absicht, Präsident zu werden, kritisch – einen Gegenkandidaten hat sie bislang nicht.

Während die Fußballer von Hertha BSC sich momentan erdenkliche Mühe geben, noch einmal in Abstiegsgefahr zu kommen, wird hinter den Kulissen an der Zukunft des Vereins gebastelt. Auslöser ist der angekündigte Ämterwechsel an der Spitze: Herthas Präsident Bernd Schiphorst und Aufsichtsratschef Werner Gegenbauer haben erklärt, dass sie bei der nächsten Mitgliederversammlung am 23. Mai ihre Posten tauschen wollen. Auch wenn Gegenbauer nur von einem Angebot an die Mitgliederversammlung sprach, stößt dieses Vorgehen bei vielen Vereinsmitgliedern auf Kritik.

Ingmar Pering, Mitglied des gegenwärtigen Interims-Präsidiums, bemängelt das Vorgehen, weil der Eindruck entstanden sei, beim Berliner Fußball-Bundesligisten würden zentrale Posten ausgekungelt. „Wenn ich bösartig wäre, würde ich von einer Rochade sprechen. So, wie es gelaufen ist, schmeckt mir die Sache gar nicht“, sagt der 42 Jahre alte Anwalt. „Ich werde auf der Präsidiumssitzung am Mittwoch klare Worte finden.“

Bereits heute Abend trifft sich eine große Runde von Vereinsmitgliedern, die die Entwicklung beim Bundesligisten durchaus kritisch verfolgt. Mit dabei wird auch Pering sein. Sieben Jahre lang saß Pering im sogenannten Beteiligungsausschuss der Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien. Dieses Gremium war 2001 mit der Herauslösung der Profiabteilung aus dem Gesamtverein gegründet worden. Seit dem Inkrafttreten der neuen Satzung in diesem Februar gibt es dieses Gremium nicht mehr. Die fünf gewählten einfachen Mitglieder des Beteiligungsausschusses gehören bis zur Wahl im Mai dem von vier auf neun Personen erweiterten Präsidium an. Das neue starke Gremium wird das Präsidium werden. Es hat wesentliche Aufgaben des Beurteilungsausschusses übertragen bekommen. Der Aufsichtsrat, der von neun auf fünf Mitglieder schrumpft, verliert an Einfluss.

Werner Gegenbauer hat mit seinem Satz vom vergangenen Mittwoch („Neue Besen kehren gut, aber die alten kennen die Ecken.“) im Verein auch Ärgernis hervorgerufen. „Es stimmt schon, was er sagt“, sagt ein einflussreiches Mitglied, das anonym bleiben möchte. „Herr Gegenbauer weiß ja bestens, in welchen Ecken der Dreck liegt, schließlich hat auch er die wirtschaftliche Misere Herthas als langjähriges Mitglied des Aufsichtsrates mit- zuverantworten.“ Hertha drücken 30 Millionen Euro Schulden. Der angekündigte Ämtertausch kam für viele Mitglieder offenbar nicht überraschend. „Die, die sich etwas anderes wünschen, sind zu wenig vernetzt“, sagt ein langjähriges Vereinsmitglied. Eine Opposition in organisierter Form gibt es bei Hertha nicht. Auf die Frage, ob es überhaupt einen Gegenkandidaten für das Amt des Präsidenten zu Gegenbauer geben wird, antwortet ein informiertes Vereinsmitglied mit Skepsis: „Die Frage ist, wer sich das antut.“ Viele Mitglieder glauben, dass die Wahl Gegenbauers „nur noch Formsache“ sei.

Wenn es bei Hertha eine Opposition gibt, dann ist sie unorganisiert, lose. Allerdings gibt es eine durchaus breite, kritische Front. Besonders der Ältestenrat des Vereins um Wolfgang Holst mischt sich in der jüngeren Vergangenheit stärker ein. So hat der frühere Präsident Holst auf der bisher letzten Mitgliederversammlung im Herbst 2007 erstmals Dieter Hoeneß auch öffentlich angegriffen. Holst sagte, dass alle, die Verantwortung für Hertha tragen, Hoeneß zu lange hätten gewähren lassen. „Er hat ja auch viele Sachen gut gemacht. Doch zuletzt sehen wir eine Überforderung“, hatte Holst gesagt: „Grundsätzlich ist jeder ersetzbar, auch Hoeneß.“Die Kritik aus den eigenen Reihen kam in der Führungsetage Herthas gar nicht gut an, weshalb beispielsweise Hoeneß und Gegenbauer mit Verweis auf Holsts Kritik der vereinseigenen Weihnachtsfeier fernblieben. „Es gibt im Verein einige Leute, die mit Kritik einfach nicht umzugehen wissen“, sagte ein vereinskritisches Mitglied.

Ingmar Pering wird nun für das Präsidium kandidieren. Dieses Gremium bestimmt, was in der Profiabteilung des Vereins passiert, und hat auch die Nachfolge des 2010 abtretenden Geschäftsführers Dieter Hoeneß zu lösen. „Ich denke, wir brauchen Veränderung“, sagt Pering, der intensiv am Zustandekommen der neuen Satzung mitgewirkt hat. „Vor allem aber müssen alle Präsidiumsmitglieder bei Entscheidungen eingebunden werden“, sagt er. Beschlüsse seien über Jahre hinweg im Beteiligungsausschuss von einer kleinen Gruppe hinter „verschlossenen Türen vorverhandelt“ und dem Rest des Gremiums nur noch zum Abnicken vorgelegt worden. Das soll bei Hertha nicht mehr passieren. Michael Rosentritt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false