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Hertha: Geplatzt und doch verknotet

Herthas Stürmer Ramos steht in Stuttgart symbolisch für sein Team – von beiden fällt der Druck nur kurz ab

Adrian Ramos zog das linke Bein nach. Der Weg aus der Umkleidekabine bis zum Mannschaftsbus, er war ein beschwerlicher für den Kolumbianer. Ramos hatte sich in einem Zweikampf eine Prellung im linken Knie und eine Kapselverletzung im Sprunggelenk zugezogen, Kollateralschäden eines Zweikampfes im Spiel (1:1) beim VfB Stuttgart an der Mittellinie. Zuvor hatte Ramos noch auf die Zähne gebissen und durchgehalten, das freigesetzte Adrenalin nach seinem Tor dürfte dem Stürmer dabei geholfen haben. Nach dem Spiel ging nicht mehr viel. Dem guten Gefühl nach seinem Treffer dürfte ein schlechtes nach dem späten Ausgleich gefolgt sein. Der humpelnde Ramos stand symbolisch für die ganze Hertha am Samstagnachmittag. Zuerst dieses kurze, aber helle Aufflackern: Berlins erste Chance an diesem Nachmittag und Ramos’ erstes Tor in der Bundesliga. Der Druck, der Krampf der vergangenen Wochen schienen abgefallen zu sein. Dann aber folgte Ramos’ zweite Möglichkeit, bei der er zu lange zögerte – und den Ball dann samt Verantwortung vorhersehbar in die Mitte schob. Die Schwere bei Ramos und bei Hertha hatte sich nur für einen kurzen Augenblick gelöst.

Dabei hätte Hertha ein bisschen Lockerheit dringend nötig gehabt, die kommenden Wochen werden kompliziert: In der nächsten Woche bestreitet Hertha zwar noch ein Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt, dann aber heißen die Gegner Schalke, Leverkusen und Bayern. Und am Montag in einer Woche ist auch noch die Mitgliederversammlung. Bis zur Winterpause wollen die Berliner eigentlich noch „den einen oder anderen Tabellenplatz gut machen“, um attraktiver für mögliche Neuzugänge zu werden, hat Trainer Friedhelm Funkel gesagt. Bei sechs Punkten Rückstand auf den Vorletzten Bochum dürfte das allerdings schwierig werden.

Mit seinem aktuellen Kader geht Funkel zu Recht kritisch um. Er könne sich nicht erklären, weshalb einige Nationalspieler immer wieder müde von ihren Länderspielreisen zurückkehrten. Auf deutsche, österreichische und Schweizer Auswahlspieler treffe das nicht zu. In den anderen Nationalmannschaften werde aber offenbar „viel Kaffee getrunken und nur einmal am Tag trainiert“. Funkel nannte allein Waleri Domowtschiski namentlich, „der nicht frisch“ gewesen sei. Von Gojko Kacars Müdigkeit hatte er allerdings schon am Freitag berichtet und diesen gegen Stuttgart dann nur eingewechselt. Wie berichtet hatte Kacar seine Unzufriedenheit darüber nach dem Spiel geäußert und erzählt, dass er von seiner Nicht-Berücksichtigung erst unmittelbar vor dem Spiel erfahren habe.

Fußballer sprechen gerne davon, wie man sich die Müdigkeit aus den Beinen laufen kann. Bei Kacar dürfte seit gestern nicht mehr viel Schlaftrunkenheit übrig sein. Am Sonntag musste er gemeinsam mit den anderen Ersatz- und Einwechselspielern vom Samstag eineinhalb Stunden lang rennen. Zusammen mit dem Trainer. Der eine oder andere habe es einfach nötig gehabt „den inneren Schweinehund zu überwinden“ sagte Funkel.

Der Trainer gab sich am Sonntag kämpferisch-optimistisch. Seine Mannschaft habe den Ernst der Situation „zu einhundert Prozent erkannt“, sagte er. In der zweiten Halbzeit wäre das zu beobachten gewesen. Ein gutes Beispiel hatte Funkel auch noch parat. Sein Kapitän Arne Friedrich hatte vor der Begegnung über Rückenschmerzen geklagt. Am Spieltag um halb elf habe er dann noch Tests durchgeführt und sich schließlich dafür entschieden, trotz Schmerzen zu spielen. „So stelle ich mir einen Kapitän vor“, sagte Funkel.

Gute Nachrichten gab es auch in Sachen Ramos, der wegen seiner Verletzung am Sonntag nicht mit den Stammspielern Fahrrad fahren konnte. Der Kolumbianer wird zwar erst am heutigen Montag eingehend untersucht, Mannschaftsarzt Ulrich Schleicher gab sich aber schon optimistisch, „dass wir ihn bis zur nächsten Woche wieder hinkriegen“. Dann bekäme Ramos eine neue Möglichkeit, Herthas und seinen Krampf richtig zu lösen.

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