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Fiedler

© ddp

Hertha: Hinter der Linie

Torwart Christian Fiedler ist die letzte Konstante bei Hertha BSC. Jetzt muss er zusehen, wie Jaroslav Drobny seinen Platz einnimmt.

Was ist Hertha BSC? Traditionsverein oder Startup-Unternehmen am neuen Fußballmarkt? Wer Herthas Klub-Angestellten in diesen Tagen in Stegersbach im Burgenland beim Üben zuschaut, wird viele ungewohnte Gesichter entdecken, seit gestern gehört auch das des Kotrainers Harald Gämperle dazu. Kommandos auf Schwyzerdeutsch dröhnen durch den österreichischen Regen. An früher erinnert nur noch das Blau der Trainingsleibchen. Und Christian Fiedler.

Der Torhüter ist so etwas wie die letzte Konstante im Unternehmen Hertha BSC. Alle Epochen der jüngeren Vergangenheit hat er mitgeprägt. Fiedler hat noch mit Carsten Ramelow zusammen gespielt, mit Steffen Karl, Sebastian Deisler oder Alex Alves. Als vor zweieinhalb Wochen die neue Saison begann, ist Fiedler gefragt worden, wie lange er denn schon für Hertha spielt, und die Antwort hat ihn selbst ein wenig erschreckt: „17 Jahre!“ Als er im Juli 1990 aus Lichtenrade zu Hertha wechselte, war Jerome Boateng zwanzig Monate alt.

Beide verbindet, dass sie keine Zukunft bei Hertha haben. Der eine will nicht mehr, der andere darf nicht mehr. Jerome Boateng will zum Hamburger SV gehen. Und Christian Fiedler hat einen neuen Torhüter vor die Nase gesetzt bekommen: den Tschechen Jaroslav Drobny, 27 Jahre alt und beeindruckende 192 Zentimeter lang. Der Mann ist eine Investition in die Zukunft, fünf Jahre jünger und zwölf Zentimeter größer als Fiedler. Natürlich war diese Personalentscheidung ein Misstrauensvotum gegen die alte Nummer eins.

Fiedlers Kommentar: Kein Kommentar! Wer ihn kennt, ahnt, dass er sich weniger über die Konkurrenz durch Drobny ärgert als darüber, dass er so lang im Ungewissen schwebte. Hansa Rostock soll interessiert gewesen sein, nachdem Mathias Schober seinen Wechsel zu Schalke bekannt gegeben hatte. Auch Duisburg hatte lange nach einem Nachfolger für den entlassenen Georg Koch gesucht. Doch als Fiedler Ende Mai nach Drobnys Verpflichtung endlich Klarheit hatte, waren die Plätze vergeben. In Rostock an den Hamburger Stefan Wächter, in Duisburg an Tom Starke.

Also ist Fiedler in Berlin geblieben. Sein Vertrag läuft bis 2008, er wird ihn wohl auf der Bank absitzen, auch wenn Trainer Lucien Favre sich öffentlich noch nicht festgelegt hat. „Ich habe zwei gute Torhüter“, sagt er. Jaroslav Drobny weiß, dass er die Identifikationsfigur der Fans beerben soll, aber er trägt nicht schwer an dieser Last. „Ich arbeite gut mit Christian zusammen, wir sind doch alle Profis“, sagt er. „Aber natürlich bin ich gekommen, um zu spielen. Der Bessere wird im Tor stehen.“ Er sagt es nicht, aber die in ihm ruhende Selbstsicherheit verrät: „Ich werde der Bessere sein.“

Wie Fiedler, der bei Hertha über Jahre nicht am Ungarn Gabor Kiraly vorbeikam, hat auch Drobny seine ganz persönliche Leidensgeschichte. Mit 19 Jahren spielte er für Ceske Budejovice in der ersten tschechischen Liga, wechselte zwei Jahre später zu Panionios Athen, wo er sich einen so guten Namen machte, dass ihn der FC Fulham holte. In London sollte es ein Wiedersehen mit seinem Freund Peter Cech geben, der beim FC Chelsea spielt. Cech war Drobnys Nachfolger im Tor der Junioren-Nationalmannschaft. Doch während Cech zum Weltstar aufstieg, bekam Drobnys Karriere einen Knick. Bei einem Trainingsunfall riss der Knorpel im rechten Knie. Fulham lieh Drobny erst an ADO Den Haag aus und löste den Vertrag später auf. Ein auf vier Wochen befristetes Engagement bei Ipswich Town scheiterte. Als der VfL Bochum im vergangenen Winter anfragte, war das so etwas wie seine letzte Chance.

Drobny hat sie genutzt, vor allem dank seiner überragenden Strafraumbeherrschung. Er liebt das körperbetonte Spiel – auch wenn er bis heute nicht vergessen hat, was seinem Freund Peter Cech im Oktober 2006 passiert ist. Bei einem Zusammenprall erlitt er einen Schädelbasisbruch, setzte vier Monate aus und spielt heute mit einem Kunststoffhelm. Wieder und wieder hat Drobny den Zusammenstoß auf Video gesehen, „eine schlimme Szene, und meiner Meinung nach ein klares Foul“. In Schottland geht es mindestens genauso hart zur Sache wie in England – hat Drobny vielleicht deshalb ein Angebot von Celtic Glasgow ausgeschlagen? „Nein. Die Bundesliga ist einfach stärker als die schottische Liga. Und Herthas Angebot war besser als das von Celtic“, vor allem finanziell. Wer setzt schon auf Old Football School, wenn er das schnelle Glück am neuen Markt machen kann?

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