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© Bernd König

Hertha im Abstiegskampf: Gegen den Schmerz

Das 0:0 gegen Wolfsburg hilft Hertha im Abstiegskampf nur bedingt, aber die Stimmung ist durch den ersten Punktgewinn nach acht Niederlagen deutlich besser geworden.

Berlin - Jaroslav Drobny gab ein seltsam asymmetrisches Bild ab. Untenrum war er dick eingepackt: Unter seiner schwarzen Sporthose trug er weitere Shorts, die bis an die Knie heranreichten, darunter eine schwarze Strumpfhose. Obenrum war ihm nur noch das verschwitzte Unterhemd geblieben. Den Rest – Handschuh links, Handschuh rechts plus Trikot – hatte der Torhüter von Hertha BSC nach dem Schlusspfiff in die Berliner Fankurve geworfen. Drobny hatte alles gegeben, und das hatte sich der Anhang auch redlich verdient. Schon bei der Mannschaftsvorstellung war der Tscheche über Gebühr gefeiert worden, jede seiner Aktionen wurde mit Überschwang begleitet. Man könnte auch sagen: Die Fans hatten mehr in Drobny hineininterpretiert, als tatsächlich in ihm war.

Aber wer will ihnen das verdenken, wenn in dunkler Zeit endlich mal wieder ein zarter Lichtschein auszumachen ist? Mit dem 0:0 gegen den Meister VfL Wolfsburg endete für Hertha eine schwarze Serie von acht Niederlagen.

Jaroslav Drobny musste gar nicht viel tun, um den Fans schon als Symbol für bessere Zeiten zu erscheinen: Er war einfach nur da. Im Grunde hatte der Torhüter in den neunzig Minuten gegen den Meister nur eine außergewöhnliche Parade gezeigt, als er kurz nach der Pause einen Schuss von Edin Dzeko abwehrte. Mehr vermochten die Wolfsburger ihm nicht abzuverlangen. Die psychologische Wirkung hingegen war um einiges höher. Zum ersten Mal nach seiner Verletzung vor fünf Wochen stand Drobny wieder auf dem Platz, und zum ersten Mal seit dem ersten Saisonspiel (1:0 gegen Hannover) blieben die Berliner ohne Gegentreffer.

„Er ist ein wichtiger Bestandteil unserer Defensive“, sagte Herthas Trainer Friedhelm Funkel über Drobny. „Er hat der Abwehr Rückhalt gegeben.“ Vor allem aber hat er den Fans die Hoffnung zurückgegeben. Drobny stand damit sinnbildlich für dieses Spiel und seine Bedeutung. Streng genommen hat das Unentschieden den Berlinern nur einen dürftigen Punkt eingebracht und ihre Situation im Abstiegskampf, nüchtern betrachtet, nicht entscheidend verbessert – aber das Gefühl ist jetzt ein ganz anderes. „Das war das erste richtige Zeichen von uns“, sagte Herthas Außenverteidiger Marc Stein.

Es hat wohl auch eine Weile gedauert, bis die Berliner die Zeichen der Zeit erkannt hatten. „Die Mannschaft hat jetzt kapiert, worauf es ankommt“, sagte Funkel. Dass das vorher nicht bei allen der Fall war, kann Herthas Trainer angesichts der Vorgeschichte sogar verstehen: „Das ist auch eine Frage der Mentalität. Die Mannschaft ist in der letzten Saison fast Meister geworden. Da denkt vielleicht der eine oder andere: ,Das geht schon. Das wird schon.‘ Nichts geht, nichts wird, wenn ich die Situation nicht annehme.“

Auch in dieser Hinsicht kam ihm der Einsatz von Jaroslav Drobny sehr zupass. Ob der Torhüter wirklich spielfit war, sei mal dahingestellt. Am Tag danach berichtete Funkel, dass die Probleme bei Drobny nicht so wild seien. Während des Spiels sah das ganz anders aus: Der Torhüter musste sich übergeben, und schon in der ersten Hälfte rief er nach ärztlicher Hilfe. Er verlangte nach Tabletten gegen den Schmerz, angeblich aber nahm er nur Traubenzucker gegen die Unterzuckerung. „Ich habe Schmerzen im Oberschenkel“, sagte Drobny nach dem Spiel. „Meine Bewegungen sind nicht optimal.“ Es reichte auch so, um seiner Mannschaft ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln.

Die entscheidende Botschaft war ohnehin eine andere: Da hatte jemand gegen den Schmerz angekämpft. Solche Typen braucht Hertha jetzt, zumal ein schneller Abschied aus der Abstiegszone erst einmal nicht zu erwarten ist. „Das dauert noch Monate“, glaubt Trainer Funkel, der kurz nach seinem Amtsantritt noch davon gesprochen hatte, dass er bis zur Winterpause auf Platz 13 vorrücken wolle. Inzwischen verkneift er sich solche Prognosen. „Wir haben aus zehn Spielen vier Punkte geholt. Da bringt es nichts zu schwafeln. Wir müssen erst mal aufholen, bevor wir daran denken können, den einen oder andern zu überholen.“

Das Spiel gegen Wolfsburg deutete zumindest darauf hin, dass die Berliner ihre Lage jetzt realistisch einschätzen. Die Mannschaft trat kompakt auf, stand in der Defensive weitgehend sicher und hatte bei allen Fehlern im Spiel nach vorne sogar die besseren Chancen als der Meister. „Das war ein kleiner Anfang“, sagte Friedhelm Funkel. Hauptsache, es fängt überhaupt an aufzuhören, schlecht zu laufen.

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