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Trainer und Taktgeber: Jos Luhukay erläutert Peer Kluge sein Vorhaben.

© City-Press

Hertha im Trainingslager: Perfektion ist Luhukays Antrieb

Unter Jos Luhukay hat Hertha BSC in der Zweiten Liga die meisten Tore erzielt und die beste Tordifferenz erreicht. Dennoch sagt der Trainer: "In der Offensive müssen wir noch schärfer sein." Derart perfektionistisch war vor ihm wohl nur einer.

Christoph Janker hatte seine Arme ausgebreitet wie ein Albatros seine Schwingen, und vermutlich hätte es niemand gewundert, wenn der Verteidiger von Hertha BSC plötzlich abgehoben und davon geschwebt wäre. Nach diesem Tor war ihm alles zuzutrauen. Von der rechten Seite war eine Flanke in den Strafraum geflogen, Janker traf den Ball am langen Pfosten mit seinem schwächeren linken Fuß aus der Luft, und dann nahm der Ball eine Flugkurve fast wie bei Marco van Bastens legendärem Tor im EM-Finale 1988. Staunen, Raunen, großer Jubel.

Wenn Herthas Trainer Jos Luhukay seine Fußballer in Belek Übungen mit Torabschlüssen absolvieren lässt, spricht er immer wieder von der Krönung: „Die Krönung muss das Tor sein.“ Dass das nicht immer so spektakulär aussehen kann wie bei Christoph Janker, ist ihm vermutlich auch klar; doch für Luhukays Geschmack sind die Aktionen seiner Spieler bisher viel zu oft ungekrönt geblieben. Im Training, aber auch im Spiel. „Ich bin der Meinung, dass wir da zulegen können“, sagt der Holländer. „In der Offensive müssen wir noch schärfer sein, noch zielstrebiger, noch schneller.“ Das war im Testspiel gegen die U 23 des FC Bayern (2:2) zu sehen, als die Berliner beste Gelegenheiten zu leichtfertig vergaben. Und auch gestern im Test gegen den FC Lugano blieb das Offensivspiel verbesserungswürdig. Die Tore von Pierre-Michel Lasogga und Sandro Wagner zum 2:0 (0:0) über den Schweizer Zweitligisten resultierten aus Standards.

Luhukay weiß vermutlich, dass er auf ziemlich hohem Niveau jammert. In der Zweiten Liga hat Hertha die meisten Tore (36) erzielt, die Mannschaft hat zudem die beste Tordifferenz (plus 21). Aber Luhukay bekennt sich offen zu seinem Perfektionismus. „Man wird Perfektion nie erreichen“, sagt er. „Aber sie ist mein Antrieb.“ Im Trainingslager an der türkischen Riviera lässt sich das eindrucksvoll beobachten. „Schneller! Schneller! Schneller!“, ruft Luhukay bei einer scheinbar simplen Passübung. „Wenn wir Gegnerdruck haben, müssen wir uns durch Ballgeschwindigkeit befreien.“ Immer wieder fordert er hohe Handlungsschnelligkeit, Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Konzentration von seinen Spielern ein – weil er ahnt, dass seine Mannschaft in der Rückrunde noch häufiger als bisher auf extrem tiefstehende Gegner treffen wird. Umso schneller muss daher der Ball laufen. „Wenn wir das beherrschen, können wir den Gegner in seiner eigenen Hälfte kaputt spielen“, sagt Luhukay.

Herthas Trainer ist klar in seiner Ansprache, konsequent in der Mannschaftsführung und kommunikativ in der Vermittlung. In dieser Form, derart detailbesessen und perfektionistisch, hat bei den Berlinern zuvor wahrscheinlich nur Lucien Favre gearbeitet. Luhukays Training ist keine Beschäftigungstherapie für gelangweilte Profis; man erkennt genau, worauf der Trainer hinaus will. Alles ist auf das Spiel und dessen Herausforderungen ausgerichtet, jede Übung hat einen klaren Bezug zur Praxis. „Das Training macht einfach Spaß“, sagt Christoph Janker, „weil wir viel mit Ball machen.“

Für Jos Luhukay ist der Spaßfaktor allenfalls ein positiver Nebeneffekt. Viel mehr kommt es dem Trainer auf die Wirkung an.

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