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Fabian Lustenberger hat in der Hinrunde keine Sekunde verpasst.

© Imago

Hertha-Kapitän Fabian Lustenberger: Von Natur aus Lusti

Fabian Lustenberger interpretiert das Kapitänsamt bei Hertha BSC so, wie er ist: ein wenig zurückgenommen. Das kommt allseits gut an - allerdings war der 25-Jährige bisher in seiner Funktion auch kaum gefordert.

Es hat nicht lange gedauert, bis Fabian Lustenberger die volle Wucht seines neuen Amtes zu spüren bekommen hat. Gleich nach seinem ersten Pflichtspiel als Kapitän von Hertha BSC wurden ihm von einer Boulevardzeitung schwerste Versäumnisse zur Last gelegt: Vor dem Pokalspiel in Neumünster hatte er sich doch tatsächlich erdreistet, die Platzwahl zu verlieren. Dieses Missgeschick war aufmerksam registriert worden – obwohl es vermutlich keinen statistisch belegbaren Kausalzusammenhang zwischen dem Erfolg bei der Platzwahl und dem Erfolg im anschließenden Spiel gibt. „Dass es so extrem ist und du so genau beobachtet wirst als Kapitän – das hätte ich nicht gedacht“, sagt Fabian Lustenberger. „Aber mittlerweile interessiert es die Leute nicht mehr, ob ich die Platzwahl gewinne oder verliere.“

Die Deutschen und ihre Kapitäne – das ist schon eine ganz besondere Beziehung. In anderen Ländern wird dem Amt keine besondere Bedeutung beigemessen. Einer muss halt qua Fifa-Reglement eine Binde am Arm tragen und die ordnungsgemäße Durchführung der Platzwahl gewährleisten. In Deutschland hingegen wird die Rolle eher überhöht. Der Kapitän gilt als verlängerter Arm des Trainers, als Wortführer der Mannschaft und natürliche Führungspersönlichkeit. All diesen tradierten Vorstellungen entspricht Fabian Lustenberger nur bedingt. Der Schweizer hat als Kind nie davon geträumt, einmal Kapitän einer Fußball-Mannschaft zu sein; er hat nicht einmal daran gedacht, dass dieses Amt bei Hertha auf ihn zulaufen könnte, als der Trainer Jos Luhukay vor der Saison ein großes Geheimnis um die Besetzung gemacht hat.

Es war schon eine ziemliche Überraschung, als Luhukay Lustenberger zum neuen Kapitän ernannt hat. Nicht wegen Lustenberger, sondern weil seine Beförderung zugleich die Absetzung Peter Niemeyers bedeutete. „Er war ein vorbildlicher Kapitän, sowohl sportlich als auch menschlich“, sagt Lustenberger über seinen Vorgänger. Im Grunde hat Luhukay das nicht anders gesehen. „Für jeden Trainer gibt es Entscheidungen, die aus menschlicher Sicht unangenehm sind. Das war so eine schwierige Entscheidung“, sagt er über Niemeyers Degradierung.

Auch für Lustenberger war es keine einfache Situation. Er versteht sich gut mit Niemeyer, beide unternehmen auch privat gelegentlich etwas zusammen, sie tun das auch jetzt noch. „Peter hat gezeigt, dass er mit der Situation umgehen kann“, sagt Lustenberger. Trotzdem habe er Respekt gehabt vor der ersten Begegnung nach Luhukays Entscheidung, „und wir haben nie explizit darüber gesprochen, das ergab sich nicht.“

Mit 25 Jahren ist Lustenberger der jüngste Kapitän in der Bundesliga

Eigentlich gab es im Sommer keine zwingende Veranlassung, den Kapitän auszutauschen. Doch Luhukay hat wohl schon mehr als nur geahnt, dass Niemeyer seinen sportlichen Wert nach dem Aufstieg in die Bundesliga nicht würde behaupten können. Und dass der Kapitän mehr auf der Bank sitzt als auf dem Feld steht, hat der Trainer als wenig sinnvoll erachtet. Im Nachhinein hat sich diese Ahnung als zutreffend erwiesen. Niemeyer schaffte es in der gesamten Hinrunde kein einziges Mal in die Startelf, lediglich acht Mal wurde er eingewechselt. Lustenberger hingegen stand in allen 17 Spielen von der ersten bis zur letzten Sekunde auf dem Platz. „Er ist in unserer Defensive der Stabilisator gewesen, hat die Abwehr im Griff gehabt“, sagt Luhukay über den gelernten Mittelfeldspieler, den er im Laufe der Hinrunde wieder in die Innenverteidigung zurückgezogen hat.

Mit 25 Jahren ist Fabian Lustenberger der jüngste Kapitän aller 18 Bundesligisten. Andererseits steht er inzwischen länger in Herthas Profikader als jeder andere Spieler, seit sechseinhalb Jahren nun schon. Doch Lustenberger hat sich sein Amt weder ersessen, noch ist er durch große Gesten oder kluge Reden Kapitän geworden. Seine Legitimation bezieht der Schweizer vor allem aus seinem sportlichen Wert für die Mannschaft. „Fabian ist Natur“, sagt Jos Luhukay. „Er spielt niemanden, der er nicht ist. Er ist normal und umkompliziert.“

Lustenberger sagt selbst, dass er nicht über allen stehe, nur weil er jetzt Kapitän sei. Von wegen: „Ich bin der Chef, und die anderen sind die Untertanen.“ Wenn er auf einmal den dicken Maxe markiere, wäre das doch erst recht unglaubwürdig, findet er. Bisher gab es für Fabian Lustenberger aber auch wenige Gründe, ein anderer zu sein als der allseits beliebte Lusti. „Viel geändert hat sich nicht“, sagt er. Ein bisschen mehr Präsenz in den Medien vielleicht, aber daran hat er sich gewöhnt. Anlässe, von seiner Amtsgewalt Gebrauch zu machen, gab es für Fabian Lustenberger nicht; dazu ist die Hinrunde für Hertha viel zu gut, viel zu glatt verlaufen. Bammel hätte er nicht davor, sagt er, „aber ich habe mir schon Gedanken gemacht: Was wäre wenn?“

Ganz optimistische Menschen haben den neuen Kapitän schon mal darauf vorbereitet, dass er wohl schon bald mit Michael Preetz über die Prämien für die Europapokalqualifikation verhandeln müsse. Fabian Lustenberger lacht. „Ich werde mich ganz sicher nicht in den nächsten Tagen mit dem Manager zusammensetzen, um einen Termin für die Verhandlungen zu vereinbaren.“

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