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Abflug. Wolfsburgs Christian Träsch (l) und Berlins Hajime Hosogai.

© dpa

Hertha landet in der Realität: Tücken im Detail

Wenn Herthas erste Saisonniederlage etwas Positives hatte, dann das: Die Berliner wissen spätestens jetzt, dass auch kleine Nachlässigkeiten sofort bestraft werden.

Mitte der zweiten Hälfte kamen aus dem Berliner Fanblock ziemlich ausfallende Gesänge. Vermutlich verstießen sie gegen sämtliche Konventionen der Vereinten Nationen, mindestens aber gegen die Konventionen für die Anhänger eines Bundesligaaufsteigers. „Europapokal, Europapokal …“, sangen die Fans von Hertha BSC. 0:2 lag ihre Mannschaft zurück, insofern durfte man von einem selbstironischem Unterton ausgehen. Fabian Lustenberger jedenfalls hatte den Text genau so verstanden. Er meinte nicht die Fans, als er nach der Niederlage in Wolfsburg sagte: „Vielleicht ist es ganz gut, dass mal ein bisschen Ruhe einkehrt, dass nicht alles von Europa spricht.“ Der harte Kern, so Herthas Kapitän, habe nämlich ein gutes Gespür für die Möglichkeiten der Mannschaft – und genau deshalb harrten die Fans noch eine Dreiviertelstunde nach dem Abpfiff aus, um die Spieler trotz der Niederlage zu feiern. „Das habe ich hier auch noch nie erlebt“, sagte Lustenberger.

Ja, Hertha hat verloren, zum ersten Mal nach 182 Tagen wieder. Aber nein, es ist keine Katastrophe, wenn ein Aufsteiger gegen eine Mannschaft verliert, die in der Lage ist, mal eben 20 Millionen Euro in einen defensiven Mittelfeldspieler zu investieren. „Wir können unsere Qualitäten nicht mit denen von Wolfsburg vergleichen“, sagte Herthas Kapitän.

Das Positive war, dass die Qualitätsunterschiede auf dem Feld lange nicht zu erkennen waren. „Wir haben wieder bewiesen, dass wir konkurrenzfähig sind“, sagte Lustenberger. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt das Beispiel Eintracht Braunschweig. Herthas Mitaufsteiger ist bisher eben nicht konkurrenzfähig. Nach vier Spielen steht die Eintracht noch ohne Punkt da. Ganz anders die Berliner. „Man hat gesehen, dass diese Mannschaft Selbstvertrauen hat“, sagte Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking. „Es macht wirklich Spaß, ihr zuzuschauen.“

Das Negative war nur, dass am Ende eben doch die Qualitätsunterschiede den Ausschlag zugunsten des VfL gegeben hatten. „Erfahrung gegen Unerfahrenheit“ – so fasste Herthas Trainer Jos Luhukay die beiden entscheidenden Situationen zusammen: „Das ist der schmale Grat in der Bundesliga.“ Das 1:0 der Wolfsburger resultierte aus einer Vorlage des Innenverteidigers Naldo. In dem Brasilianer hatte Luhukay eine der größten Bedrohungen ausgemacht und seine Mannschaft entsprechend auf ihn vorbereitet. „Es war besprochen, Naldo zuzustellen“, berichtete Lustenberger. Die Berliner überließen dem zweiten Wolfsburger Innenverteidiger Robin Knoche bereitwillig den Ball, weil sie wussten, dass der 21-Jährige damit keine Überdinger anstellen würde. 113 Ballkontakte wies die Statistik für ihn aus, so viele wie bei keinem anderen. Die daraus resultierende Gefahr für Hertha: gleich null. Als hingegen Naldo erstmals in Herthas Hälfte an den Ball kam, fiel gleich das 1:0. „Naldo hatte eine Szene“, sagte Luhukay. „Aber diese Szene bricht uns in der Defensive das Genick. Da geht es um Details.“

Im Detail waren die Wolfsburger um ein Detail besser. Auch beim 2:0, das einem umstrittenen Elfmeter entsprang, den es aber nicht gegeben hätte, wenn sich John Anthony Brooks zuvor geschickter angestellt hätte. Anstatt den Ball anzunehmen und ihn in Ruhe zu verarbeiten, bediente Brooks mit einem verunglückten Befreiungsschlag Wolfsburgs Diego. „Wenn er vorher guckt, muss er nicht hektisch werden“, sagte Luhukay über den Fehler des jungen Innenverteidigers. „Aber da lernen wir von. Das gehört zur Eingewöhnung.“

Wenn die erste Saisonniederlage etwas Positives hatte, dann das: Hertha weiß spätestens jetzt, dass auch kleine Nachlässigkeiten sofort bestraft werden. „Solche Szenen kamen letzte Saison relativ selten vor“, sagte Luhukay. Den bisherigen Eindrücken nach zu urteilen, sollte Hertha in der Lage sein, die entsprechenden Lehren zu ziehen. Der letzte Beweis steht allerdings noch aus – zumal Hertha an diesem Wochenende erstmals mit der ganzen Härte der Realität konfrontiert wurde. Der Niederlage folgte tags darauf die Nachricht von der Verletzung bei Alexander Baumjohann. Es hat schon weniger dramatische Ereignisse gegeben, die eine Mannschaft aus dem Tritt gebracht haben. „Wir dürfen jetzt nicht in eine Serie reingeraten“, sagte Fabian Lustenberger. Er meinte eine negative.

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