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Pantelic

© dpa

Hertha: Lauf ins Abseits

Zehn Gründe, warum die Berliner zum Ende der Bundesliga-Hinrunde im Abstiegskampf angekommen sind.

Mit neuem Trainer, neuen Ideen und neuer Euphorie ist Hertha BSC in diese Saison gestartet. Nach sechs Spieltagen standen die Berliner sogar ganz oben, zum Ende der Hinrunde sind sie in den Abstiegskampf abgerutscht. Es gibt viele Gründe für Herthas enttäuschende Bilanz nach 16 Spieltagen:

Das Offensivspiel: Lucien Favre sucht verzweifelt nach einem Gleichgewicht für seine Mannschaft. Gefunden hat er es bisher nicht. Die Defensive funktioniert wenigstens partiell leidlich, doch Stabilität erlangt Hertha nur durch Verzicht auf offensive Entschlossenheit. Das Spiel nach vorne funktioniert nicht. Es fehlt eine kreative Kraft, ein Spielmacher. Aus dem Mittelfeld kommen zu wenig Impulse. Nur Bielefeld, Duisburg und Rostock haben sich weniger Chancen herausgespielt als Hertha. Auch beim 1:2 in Nürnberg, als die Berliner in der zweiten Hälfte etwas besser spielten als vor der Pause, „hatten wir praktisch keine klaren Torchancen“, sagt Favre.

Die Neuen:
Dass André Lima mit dem Tempo in Deutschland deutlich überfordert ist, zeigte sich am Tag nach der Niederlage in Nürnberg. Beim Auslaufen hatte er den Kontakt zu seinen Kollegen abreißen lassen, die letzte leichte Steigung zu Herthas Trainingsgelände legte er im Gehen zurück. Der Brasilianer ist nicht der einzige Neue, der die Erwartungen enttäuscht hat. Von den sieben Verpflichtungen des Sommers hat sich nur Lucio als wirkliche Verstärkung erwiesen, der Brasilianer aber fällt bis zum Saisonende aus. Steve von Bergen hat es immerhin zum Stammspieler geschafft, allerdings unterlaufen ihm als Innenverteidiger immer noch viel zu viele Fehler. Torhüter Jaroslav Drobny hat sich bisher nicht als der Unantastbare im Tor herausgestellt, Tobias Grahn passt mit seinem umständlichen Spiel überhaupt nicht in Favres Konzept, Lukas Piszczek war ohnehin nur als Ergänzungsspieler und Fabian Lustenberger von vornherein als Mann für die Zukunft vorgesehen. Hertha will im Winter nachbessern. „Das wird nicht einfach“, sagt Favre. „300 Vereine wollen neue Spieler verpflichten. Wir haben viel Konkurrenz.“ Übermäßig viel Geld steht nicht zur Verfügung.

Das System: Es gibt keines. Oder besser: Favre hat noch keines gefunden, das zu seinen Spielern passt. „Ich habe viel probiert“, sagt Herthas Trainer. Zu viel? Das bestreitet Favre: „Ich habe nicht nach jedem Spiel gewechselt. Sondern erst nach vier oder fünf Spielen. Das genügt.“ Zu den Systemwechseln kommen personelle Veränderungen, die nichts bringen. Gegen Nürnberg rückten Andreas Schmidt und André Lima in die Startelf – zur Pause mussten sie wieder raus.

Der Trainer: Am Anfang der Saison stand Lucien Favre für Aufbruchstimmung. Der Schweizer philosophierte gern laut über das Leben und den Fußball und redete von einer glorreichen Zukunft bei Hertha. In zwei, drei Jahren würden die Berliner um einen Titel mitspielen. Offensiv und euphorisch sollte gespielt werden, doch nun präsentiert sich Hertha besonders auswärts ängstlich und viel zu defensiv.

Die Torjäger: Im Angriff ist der siebenmalige Torschütze Marko Pantelic der einzige Spieler mit Treffergarantie. André Lima, als Torjäger geholt, schaffte in zehn Punktspielen gerade mal einen Treffer. Solomon Okoronkwo schoss anfangs der Saison als Joker vier Tore, nun gelingt dem jungen Nigerianer seit Ende Oktober nichts mehr, und der Schwede Tobias Grahn, auch mal hängende Spitze, hat noch nicht einen Treffer erzielt.

Der Kapitän: Hertha mangelt es an einer Führungsfigur, die Verantwortung übernimmt. Diese Rolle käme Arne Friedrich zu, doch Herthas Mannschaftskapitän rückt am liebsten in die Innenverteidigung. Der Mannschaft aber hilft es wenig, wenn sich ihr Kapitän hinter seinen sehr defensiven Aufgaben versteckt.

Die Unzufriedenheit: Gilberto klagt über zu hohe Belastung, dann beschweren sich Spieler wie Pal Dardai über ihre Nichtnominierung, zudem flirtet Pantelic angeblich mit dem FC Chelsea. „Bei uns ist jeder zu sehr mit sich selbst beschäftigt“, sagt Verteidiger Andreas Schmidt. „Daher fehlt die Bereitschaft, dem Mitspieler in kritischen Spielsituationen zu helfen.“

Der Kampfgeist: Viel zu selten bäumt sich Hertha nach einem Rückstand auf. Nur zwei Mal – beim 3:1 gegen Stuttgart und beim 3:2 gegen Dortmund – hat die Mannschaft in dieser Saison ein Spiel nach einem Rückstand nicht verloren.

Die Auswärtsschwäche: Weder mit einer Offensivtaktik wie etwa in Bielefeld (0:2) oder defensiven Spielausrichtung wie am Sonntag in Nürnberg (1:2) läuft auswärts etwas bei Hertha. Die Berliner sind ein gern gesehener Gast in der Bundesliga: Sieben von acht Auswärtsspielen haben sie in dieser Saison verloren.

Die Ansprüche:
Kaum lief es zu Anfang der Saison, kaum war Hertha für eine Nacht Tabellenführer, da sprach Manager Dieter Hoeneß schon von der Champions League. Das Erreichen der höchsten europäischen Klubklasse sollte am Ende eines gerade beginnenden Drei-Jahres-Plans stehen. Laut Plan des Managers wäre Hertha diese Saison mit einem einstelligen Rang im Soll.

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