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Pal Dardai zauberte Genki Haraguchi aus dem Hut und der lieferte gegen die Bayern.

© AFP

Hertha nach dem Unentschieden: Haraguchis Widerstand gegen Bayern

Hertha setzt sich dem FC Bayern mit Verve entgegen. Anführer des Widerstands ist dabei ein Berliner, dem man das nicht unbedingt zugetraut hätte.

Als alles vorbei war, sank Marvin Plattenhardt regelrecht in sich zusammen. Der Linksverteidiger von Hertha BSC beugte seinen Oberkörper weit nach vorne und musste sich erst einmal mit den Händen auf seinen Oberschenkeln abstützen. Bei den meisten seiner Kollegen waren nach dem Schlusspfiff ähnliche Reaktionen zu beobachten. Sie kontrastierten auf das Entschiedenste zur ungebändigten Freude auf den Rängen.

Dabei unterschied sich das Gefühl der Spieler nach dem 2:2 gegen den FC Bayern München nicht wesentlich von dem der Zuschauer. Valentino Lazaro, der in der Schlussphase sein Debüt in der Fußball-Bundesliga geben durfte, benutzte später in gefühlten anderthalb Minuten Interview drei Mal den Ausdruck „geil“ respektive „richtig, richtig geil“. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff aber mussten die Spieler von Hertha BSC erst einmal ihrer Erschöpfung Herr werden.

Die Berliner hatten sich dem Deutschen Meister mit Verve entgegengesetzt. Von der ersten Minute an trieben sie einen immensen Aufwand, um den Qualitätsunterschied zu minimieren. Immer wieder stürzten sie sich zu zweit auf den ballführenden Spieler des Gegners. Herthas Spieler liefen fünf Kilometer mehr als die der Münchner. „Die Mannschaft hat einen super Charakter gezeigt“, sagte Trainer Pal Dardai. Es war in der Tat bemerkenswert, dass bei den Berlinern nach zwei Niederlagen hintereinander und den Anstrengungen der vergangenen Wochen keine Anzeichen von Frust oder Ermattung zu erkennen waren. Im Gegenteil.

Als die Bayern unmittelbar nach der Pause durch das achte Saisontor des Polen Robert Lewandowski mit 2:0 in Führung gingen, deutete alles darauf hin, dass es genau so kommen würde, wie es allgemein erwartet worden war. Aber Hertha stürzte nicht etwa in sich zusammen, sondern raffte sich noch einmal auf. „Es ist nicht selbstverständlich, dass du dann noch mal zurückkommst“, sagte Lazaro.

Genki Haraguchi leitete die Aufholjagd der Berliner ein

Angeführt wurde der Widerstand von jemandem, dem man das vermutlich am wenigsten zugetraut hätte. Nur zwei Minuten nach dem zweiten Tor der Bayern nahm Genki Haraguchi die Dinge in die Hand. Er startete von der linken Seite mit dem Ball am Fuß in den Münchner Strafraum, die Hälfte der Bayern-Feldspieler kreuzte oder begleitete seinen Weg. Der Japaner aber lief unbeirrt weiter und brachte am Ende einer langen Strecke sogar noch eine präzise Hereingabe in die Mitte zustande, so dass Ondrej Duda nur noch seinen Fuß in die Flugbahn des Balles halten musste, um sein erstes Bundesligator zu erzielen. „Er hat seinen Job ganz ordentlich gemacht“, sagte Marvin Plattenhardt über Haraguchi.

Die Aktion des 26-Jährigen war ebenso normal wie ungewöhnlich. Solche Dribblings lasse er oft genug im Training sehen, berichtete Plattenhardt. Und Innenverteidiger Karim Rekik ergänzte, dass Haraguchi immer mal ein paar komische Sachen mache. An Ballfertigkeit ist der Japaner seinen internen Konkurrenten Alexander Esswein und Mathew Leckie in der Tat deutlich überlegen, aber bei der finalen Aktion – Torschuss oder Vorlage – befällt seinen rechten Fuß immer wieder eine unerklärliche Flatterhaftigkeit. Die präzise Hereingabe nach seinem Solo gegen die Bayern war also die weitaus bemerkenswertere Leistung Haraguchis als der lockere Lauf durch die Abwehr der Münchner. „Das war Weltklasse“, sagte Marvin Plattenhardt.

Für den Japaner war es die erste Torbeteiligung seit Anfang Februar und die erste Vorlage seit mehr als einem Jahr. Trotzdem genießt er bei Herthas Verantwortlichen eine Wertschätzung, die nicht allein durch nüchterne Zahlen zu erklären ist. Haraguchi geht in seine vierte Saison bei den Berlinern, und noch immer gilt er als Spieler, der Hertha richtig voranbringen kann, wenn er nur mal sein Potenzial ausschöpfen würde.

Trainer Dardai hat in den vergangenen Wochen immer wieder gesagt, dass er von Haraguchi nun den nächsten Schritt erwarte. Dass er ausgerechnet gegen den Rekordmeister bei seinem siebten Pflichtspieleinsatz in dieser Saison erstmals in der Startelf stand, kam für viele überraschend. „Genki macht immer gute Spiele gegen Bayern München“, erklärte Pal Dardai seine Entscheidung. „Ich habe ihn aus dem Hut gezaubert, und er hat es zurückgezahlt.“

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