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Hertha BSC - TSG 1899 Hoffenheim

© ddp

Hertha nach Hoffenheim: Funkel und die Durchhalteparolen

Herthas Trainer Friedhelm Funkel bleibt auch nach dem 0:2 gegen Hoffenheim seiner Linie treu, die Lage besser zu sehen, als sie ist.

Berlin - So ein Besuch in der großen Stadt kann ganz schön aufregend sein. Alles erscheint einem irgendwie riesig, erst recht, wenn man aus der Provinz kommt und schon ein paar alkoholische Getränke konsumiert hat. Das Bundesligaspiel zwischen Hertha BSC und der TSG Hoffenheim ist seit einer guten Stunde beendet, da torkeln zwei Teenager dem S-Bahnhof Olympiastadion entgegen. Einer trägt ein Hoffenheim-Trikot. „Dicker!“, brüllt der mit dem Trikot zu seinem Kumpel. „Zwei zu null gewonnen! Wie dick ist das denn?“

Schade, dass Friedhelm Funkel das nicht miterleben durfte. Weit weg von Berlin, tief in der Provinz, wird die schwindsüchtige Hertha offenbar immer noch als dickes Ding gesehen. Das deckt sich mit Funkels Wahrnehmung. Die Befindlichkeit am Tag nach dem 0:2 gegen Hoffenheim? „Die ist gut“, antwortet Funkel. Herthas Trainer hat am Auftritt seiner Mannschaft wenig auszusetzen. „Wir waren gut aufgestellt, wir waren gut eingestellt. Wir wissen, woran es gelegen hat.“ Wie schön! Als wenn der Untergang auf der Titanic leichter zu ertragen gewesen wäre, weil die Passagiere wussten, dass ihr Schiff einen Eisberg gerammt hatte und nicht von einem Torpedo getroffen worden war.

Herthas Hoffnung basiert vor allem auf der Schwäche der anderen

Für Funkel ist die Lage „noch längst nicht aussichtslos“. Aber sie ist auch nicht mehr so rosig, wie er sie zuletzt gemalt hat. Dass Herthas Hoffnung vor allem auf der Schwäche der anderen basiert, hat dieser Spieltag erneut gezeigt. Bisher haben die Berliner immer davon profitiert, dass die Konkurrenz mindestens genauso schlecht, wenn nicht sogar ein bisschen schlechter war; diesmal aber haben sie zum ersten Mal in diesem Jahr Boden eingebüßt: Während Hertha zu Hause verlor, holten Bochum und Freiburg auswärts jeweils einen Punkt. „In unserer Scheißsituation haben wir noch Glück, dass die anderen nicht gewinnen“, sagt Verteidiger Steve von Bergen. Verlassen sollte man sich darauf auf Dauer lieber nicht.

Funkel behält seine Linie trotzdem bei: Immer zuversichtlich bleiben, das Positive suchen und das Negative einfach ausblenden! Konfrontiert man seine Aussagen allerdings mit der Realität, wird immer offensichtlicher, was sie wirklich sind: Durchhalteparolen. Schon bei seinem Amtsantritt im Oktober hat Funkel verkündet, dass die Mannschaft bis Weihnachten den Anschluss wiederhergestellt und sogar einige andere Teams überholt haben werde. Von Platz 13 war die Rede. Jetzt ist März, und Hertha liegt immer noch auf dem letzten Tabellenplatz.

Eine Halbserie ist Funkel nun im Amt, aus 17 Spielen mit ihm sprangen gerade zwei Siege und ganze zwölf Punkte heraus, und schon jetzt zeichnet sich ab, dass auch die intern errechneten 28 Punkte für die Rückrunde utopisch sind. „Wir können da immer noch rankommen“, sagt Funkel. Die bisherige Ausbeute aber spricht dagegen. Gerade in den Heimspielen ist die Bilanz des Jahres 2010 erbärmlich: vier Spiele, kein Sieg, ein einziges Tor.

Einziger Heimsieg für Hertha am 1. Spieltag

Keine Heimsiege? Na und! „Vielleicht ist es auswärts ein Stück weit leichter für uns“, sagt Funkel. „Wir müssen mal ein Spiel gewinnen, mit dem man nicht rechnet.“ Herthas Fans aber folgen der offiziellen Linie nicht mehr. Sie haben sich inzwischen ihr eigenes Bild gemacht, und das sieht ganz anders aus als das, das Friedhelm F. zeichnet. Nach Hoffenheims Tor zum 2:0 waren zum ersten Mal „Funkel raus!“-Rufe zu hören. „Darüber mache ich mir keine Gedanken“, sagte Herthas Trainer. Sollte er aber. Am Samstag könnte er einen wichtigen Verbündeten für das Projekt Aufholjagd nachhaltig vergrätzt haben: den eigenen Anhang.

Herthas zahlende Zuschauer scheinen die Defizite weitaus klarer zu sehen als Herthas bezahlte Führungskraft Funkel. Dass der Mannschaft zum Beispiel eine Spielidee fehlt und dass sie im Sturm erschreckend harmlos ist. Ganze 20 Minuten dominierte Hertha die erstaunlich lässigen Hoffenheimer, die von den letzten elf Pflichtspielen nur das gegen Hannover gewonnen hatten. Doch nicht mal deren Nonchalance gepaart mit Verunsicherung wussten die Berliner zu nutzen. Das 0:1 war nicht, wie Funkel glaubte, der entscheidende Knacks, schon eine Viertelstunde zuvor erlahmte Herthas Drang aus ebenso unersichtlichen wie unerklärlichen Gründen. „Die Geilheit ist schon da“, sagt Funkel. Der allgemeine Eindruck aber war ein anderer. In 90 Minuten flog ein einziger Ball auf das Hoffenheimer Tor. Er landete genau in den Armen von Torhüter Timo Hildebrand.

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