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Sport: Hertha sieht Rot

Die Berliner verlieren 1:2 in Duisburg – Alexander Madlung wird einmal mehr vom Platz gestellt

In der nach oben offenen Peinlichkeitsskala der Halbzeitunterhaltungen nimmt das Programm in der Duisburger MSV-Arena vermutlich einen Spitzenplatz ein. Während der Pause sucht eine Kamera die Ränge des Stadions nach küssenden Pärchen ab, und für den innigsten Austausch von Zärtlichkeiten gibt es einen Reisegutschein zu gewinnen. Solche Momente menschlicher Nähe und Harmonie sind den Fußballspielern von Hertha BSC inzwischen weitgehend fremd. Gestern Abend verlor der Berliner Bundesligist beim Abstiegskandidaten Duisburg 1:2 (0:1). Für Hertha war es das zwölfte Pflichtspiel hintereinander ohne Sieg, zudem musste die Mannschaft im achten Spiel dieses Jahres den siebten Platzverweis hinnehmen. „Wir schwächen uns immer selbst“, sagte Kevin Boateng. „Mit elf Mann hätten wir die vom Platz gefegt.“

Diese These ist durchaus gewagt. Hertha hat schon lange keinen Gegner mehr vom Platz gefegt. Die rückwärtsgewandte Zuversicht Boatengs nährte sich aus den letzten 25 Minuten des Spiels – doch da lagen die Berliner bereits 0:2 zurück. Erst als es fast alles gelaufen war, bestimmte Hertha das Geschehen, drängte und drückte den Gastgeber weit in die Defensive, schaffte es allerdings nicht, sich mit kühlem Kopf Erfolg versprechende Torchancen zu erspielen. Es reichte nur noch zum Anschlusstreffer. Yildiray Bastürk vollendete am Fünfmeterraum eine Hereingabe von Boateng zum 1:2.

Nicht von ungefähr waren die beiden besten Berliner dieses Abends für den Torerfolg verantwortlich. Bastürk beackerte das komplette Mittelfeld und konnte von den rabiaten Duisburgern nur mit Fouls gestoppt werden. Auch Boateng war im linken Mittelfeld sehr präsent. Herthas Trainer Falko Götz hatte vor einer Dreierkette ein Vierermittelfeld und drei Stürmer – Vaclav Sverkos in der Mitte, Marcelinho und Ellery Cairo etwas zurückhängend auf den Außen – aufgeboten.

Mit der Ordnung in Herthas Spiel war es jedoch schon nach 20 Minuten wieder vorbei. Ein einziger langer Ball aus der Duisburger Hälfte genügte, um das defensive Mittelfeld der Berliner plus ihrer Abwehrreihe zu überwinden. Klemen Lavric lief alleine auf Herthas Torhüter Christian Fiedler zu, Alexander Madlung eilte hinterher, und beim untauglichen Versuch, Lavric den Ball wegzuspitzeln, traf er den Unterschenkel des Duisburger Stürmers. Schiedsrichter Jochen Drees zeigte Madlung für diese Notbremse die Rote Karte und entschied auf Elfmeter. Mihai Tararache verwandelte zum 1:0.

„Das ist die komplette Seuche, die uns jetzt verfolgt. Es ist immer das Gleiche“, klagte Götz. Für Alexander Madlung, der sich selbst vor noch nicht langer Zeit als Kandidat für die Nationalmannschaft gesehen hat, war es der dritte Platzverweis innerhalb von drei Wochen. Dass Madlung nach verbüßter Sperre trotzdem immer wieder zum Einsatz kommt, liegt an der unbefriedigenden Personalsituation der Berliner. „Ich wüsste, was ich mit ihm machen würde, wenn ich jedes Mal mit der Stammmannschaft spielen könnte“, sagte Götz.

Nach dem Platzverweis musste Herthas Trainer die Mannschaft wieder umstellen, Andreas Schmidt rückte in die zentrale Abwehrposition, Thorben Marx ins defensive Mittelfeld. Götz schrieb seine taktischen Anweisungen auf einen Zettel und ließ ihn von Kevin Boateng zu Kapitän Arne Friedrich bringen. „Witzzettel muss ich nicht verteilen“, sagte Götz über seine ungewöhnliche Form der Nachrichtentechnik. Witzig ist es bei Hertha schon lange nicht mehr. Die Berliner konnten sogar von Glück reden, dass die Duisburger die Konfusion nach dem Platzverweis nicht zur frühen Entscheidung nutzten.

Erst nach der Pause gelang Lavric das 2:0 für den MSV, und seine Entstehung sagte einiges über den Zustand der aktuellen Hertha. Dirk Lottner schoss aus 25 Metern, der Ball sprang an die Unterkante der Latte und von dort zurück ins Feld – doch nur zwei Duisburger eilten ihm hinterher. Die Berliner Verteidiger waren einfach stehen geblieben, so dass Lavric keine Mühe hatte, den Ball ins Tor zu köpfen. Bei Hertha verlässt sich jeder auf den anderen. Dazu passte auch das Verhalten nach dem Spiel. Die so genannten Führungsspieler schlichen ebenso wortlos davon wie Manager Dieter Hoeneß, nur Sofian Chahed, Kevin Boateng, Thorben Marx und Andreas Neuendorf äußerten sich zu Herthas misslicher Lage.

Die letzten 25 Minuten des Spiels verleiteten die Berliner in ihrer Analyse sogar zu vorsichtigem Optimismus. „Wenn es in der Mannschaft nicht stimmen würde, wären wir nach dem 0:2 eingebrochen“, sagte Neuendorf. Und auch Falko Götz gab, wenn auch ein wenig widerwillig, zu: „Jetzt musst du wieder die Moral loben.“ Dem Duisburger Trainer Jürgen Kohler fiel dies als Sieger wesentlich leichter. „Ich glaube, dass die Trainerdiskussion in Berlin, wenn es denn eine gegeben hat, jetzt verstummt ist“, sagte Kohler. Götz wiederum äußerte seine Ansicht, dass Hertha kein Problem hätte, „wenn der Jürgen da wäre“. Er meinte den Abwehrspieler Kohler, nicht den Trainer.

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