zum Hauptinhalt

Sport: Hertha zeigt Wirkung

Wie Manager Hoeneß versucht, Sebastian Deislers Vorwürfe auszuräumen

Von Sven Goldmann

und Klaus Rocca

Berlin. Michael Preetz war überrascht. Beim abendlichen Studium des Videotextes war der Kapitän von Hertha BSC auf die Abrechnung seines ehemaligen Teamkollegen Sebastian Deisler gestoßen. Preetz kommentierte das Interview, das der zu Bayern München gewechselte Deisler dem Tagesspiegel gegeben hatte, mit dem ihm eigenen Hang zur Diplomatie: „Der Sebastian hat sich ohnehin meist nach außen abgeschottet, sodass wir nur sehr wenig von seiner Gefühlswelt mitbekommen haben.“

Im Interview hatte Deisler erklärt, Hertha habe sich im Sommer 2001 bei seinem geplanten Wechsel zum FC Bayern nicht ausreichend um ihn gekümmert, das ganze Hin und Her habe ihn stark belastet, er sei „von Tag zu Tag verkrampfter geworden“. Nachdem man ihn beim Sommer-Trainingslager in Kaprun gebeten hatte, den Wechsel nach München erst in der Winterpause bekannt zu geben, habe man ihn mit seinem Problem „im Stich gelassen“. Besonders dann, als der Wechsel öffentlich wurde und die Fans ihn auspfiffen. „Dabei hatte ich mich in der ganzen Geschichte doch nur dem Wunsch der Vereinsführung untergeordnet, ich habe dabei mein Image für Hertha riskiert“, hatte Deisler dem Tagesspiegel gesagt.

Manager Dieter Hoeneß widersprach am Donnerstag vehement. Er sei mit Deisler und dessen Berater Jörg Neubauer „zu der gemeinsamen Überzeugung gekommen, dass es für Verein und Spieler das Beste ist, die Entscheidung über den Wechsel erst nach der Winterpause bekannt zu geben“. Sonst hätte Deisler bei jedem Fehlpass und bei jeder misslungenen Aktion bei den Fans ein Spießrutenlaufen erlebt. Davor habe man ihn schützen wollen. Außerdem habe er, Hoeneß, noch „die minimale Hoffnung gehabt, dass wir ihn vielleicht noch bewegen können, bei Hertha BSC zu bleiben“. Doch mit dem Bekanntwerden der 20-Millionen-Mark-Überweisung durch den FC Bayern auf das Konto Deislers sei die Hoffnung zerschlagen worden. „Hätte ich von diesem Scheck vorher gewusst, hätte ich entschieden dafür plädiert, den Wechsel sofort bekannt zu geben und ihn auch sofort zu vollziehen“, sagte Hoeneß. Da Deisler zu jenem Zeitpunkt verletzt war, sei ein sofortiger Transfer nach München jedoch nicht in Frage gekommen.

Auf Hoeneß’ Widerspruch stieß Deislers Aussage, Hertha habe von ihm verlangt, sich bei den Fans zu entschuldigen. „Ich habe Sebastian damals gebeten, eine vernünftige Presseerklärung abzugeben. Der Text war schon vorbereitet. Leider ist es dann dabei geblieben.“

Deisler wiederum verweist darauf, er habe sich vom Verein allein gelassen gefühlt. Das Münchner Darlehen über 20 Millionen Mark, das er später zurückgezahlt habe, sei keineswegs der Hauptgrund für seinen Wechsel gewesen. Es sei ihm durchaus bewusst, dass er Hertha in seiner Laufbahn einiges zu verdanken habe. Dennoch sei der Wechsel nach München aus sportlichen Gründen erfolgt. Er dementiert nicht, dass es im Sommer 2001 eine gemeinsame Entscheidung von ihm und Hertha gewesen sei, den Wechsel zum FC Bayern erst im Winter zu veröffentlichen. Damit sei er einverstanden gewesen, und zu diesem Wort stehe er auch heute noch. Ihn habe vielmehr Herthas Reaktion nach der vorzeitigen und ungeplanten Veröffentlichung des Wechsels getroffen. Darauf bezieht Deisler sich, wenn er sagt: „Hertha hat mich im Stich gelassen.“

Er habe auf eine öffentliche Erklärung gehofft, in der sich beide Seiten, also Hertha und Deisler, zu dem Stillschweige-Abkommen vom Sommer 2001 bekannt hätten. Diese Erklärung aber sei ausgeblieben. So sei in der Öffentlichkeit der Eindruck vom geldgierigen Fußballprofi entstanden, der Hertha und die Fans hintergangen habe. Diesem Eindruck habe er mit dem Interview im Tagesspiegel entgegentreten wollen. Hertha hatte Deislers Wechsel erst am 30. Oktober 2001 offiziell bestätigt – zweieinhalb Wochen, nachdem die millionenschwere Überweisung auf Deislers Konto die Titelseite der „Bild“-Zeitung geziert hatte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false